Mein Name ist Monster (Autorin: Katie Hale)
 
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Mein Name ist Monster von Katie Hale

Rezension von Matthias Hofmann

 

Robinson Crusoe und Frankenstein. Diese beiden großen Klassiker sind, so die Autorin, bei der Konzipierung von Mein Name ist Monster Pate gestanden. Weitere Einflüsse kommen von Cormac McCarthy, James Rebanks und Jeanette Winterson. Ein Zitat aus Daniel Defoes weltbekanntem Survival-Roman dient auch zur Einstimmung auf den ersten von zwei Teilen, in welche der Roman von Katie Hale segmentiert ist.

 

Dem literarischen Onlinemagazin HUNDERVIERZEHN des S. Fischer Verlags antwortete Hale auf die Frage nach ihrer Inspiration:

»In vielerlei Hinsicht ist »Mein Name ist Monster« eine Umkehrung von »Robinson Crusoe«. Es ist die Geschichte einer Frau, die glaubt, der letzte Mensch auf Erden zu sein – bis sie ein Mädchen findet. Das Buch lässt Crusoes Einsamkeit auf einer verlassenen Insel widerhallen, seinen Kampf ums Überleben, und sein Finden (und Versklavung) von Freitag.«

 

Katie Hale, eine junge Britin, die mit ihrer Dystopie »Mein Name ist Monster« ihr Romandebüt vorlegt, sieht sich in erster Linie als Poetin. So etikettiert sie sich selbst auf ihrer Homepage, nicht ohne ergänzend zu erwähnen, dass sie auch als Romanschriftstellerin, Lyrikerin, Bloggerin und einiges mehr aktiv ist. Nach Lektüre ihres Romanerstlings spürt man es durchaus: Hale ist tief im Innersten eine begabte Dichterin.

 

Würde man Anti-Utopien einfach in »laute« und »leise« unterteilen, würde das vorliegende Buch zur zweiten Kategorie gehören. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Erst kamen Bomben und Raketen, dann eine Seuche. Die Menschheit ist ausgelöscht, bis auf eine Frau, die sich Monster nennt.

 

Ursprünglich war es ein Spitzname, den ihr Vater ihr gegeben hat. »Es war ironisch gemeint – glaube ich – eine liebevolle Neckerei. Als ich älter wurde, wollte meine Mutter, dass er damit aufhört, aber der Name umschloss mich längst wie ein fester Panzer. […] Ich glaube, wenn es alle anderen nicht schaffen, kann man nur als Monster überleben.«

 

Das mit dem Monster kommt nicht von ungefähr, da sie schon als Kind schon einzelgängerisch und eigenbrötlerisch war und auch als Erwachsene am liebsten für sich alleine ist. Nach dem Ende der Welt, kommt sie aus ihrer Enklave in Spitzbergen zurück, ist an der Küste Schottlands gestrandet. Und sie kämpft. Ums Überleben und mit der Erkenntnis, dass ihr eine Rückkehr zum Haus ihrer toten Eltern nicht emotional hilft. Ebenso wie die Erinnerung an ihr früheres Leben. Sie lässt sich in einem verlassenen Bauernhof nieder und beginnt, sich dort einzurichten. Sie pflanzt Gemüse an, züchtet Hühner, erkundet die Umgebung und durchstreift verlassene Supermärkte auf der Suche nach Essbarem.

 

Eines Tages trifft sie auf ein verwildertes Mädchen, welches sich an nichts erinnern kann, nicht einmal daran, was Worte bedeuten und wie man spricht. Sie ist buchstäblich ein unbeschriebenes Blatt, welches mit Informationen gefüttert werden kann. Also nimmt Monster die Jugendliche unter ihre Fittiche und übergibt ihr instinktiv ihren Namen. Während sie das Mädchen fortan Monster nennt, bezeichnet sie sich selbst nun als Mutter.

 

Im zweiten Teil wechselt die Perspektive vom bisherigen »erwachsenen« Monster, das die alte Welt und seine Worte kennt, zum »heranwachsenden«, unbedarften Monster. Die Kleine entwickelt in ihrem Wissensdurst ihre eigene Gedankenwelt und erinnert sich allmählich vage an Erinnerungsfetzen aus ihrem alten Leben. Was sie mit ihren Erkenntnissen tut, hier zu erzählen, würde zu sehr spoilern. Was man aber konstatieren kann, ist, dass diese Entwicklung ziemlich unglaubwürdig in seiner gesamten Herleitung und Ausführung ist. Das schadet einem sinnvollen und befriedigenden Ende, ist jedoch für die finale Wirkung des Buchs nicht primär ausschlaggebend.

 

»Mein Name ist Monster« ist ein bewegendes und philosophisches Werk, das besonders durch seine Sprache lebt. Es ist grundsätzlich eine feministische Geschichte von zwei weiblichen Menschen, die sich brauchen. Dabei verwandelt sich die Einstellung der erwachsenen Frau von eher misanthropisch zu tendenziell mütterlich-fürsorglich, besonders wenn es um die Erziehung und Prägung der Jüngeren geht.

 

Beide Charaktere leben in ihrer eigenen Gedankenwelt und tauschen sich nicht wirklich in der Tiefe aus. Die apokalyptischen Ereignisse, die alle anderen Menschen ausgelöscht haben, werden nicht näher beschrieben. Sie scheinen auch komplett verschwunden zu sein und keinen weiteren Einfluss auf die beiden Protagonistinnen zu haben, die kaum konkrete Erinnerungen daran haben.

 

Die ganzen Details sind Hale auch nicht wichtig. Sie interessiert sich eher für die Menschen. Ähnlich wie Cormac McCarthy mit seinem postapokalyptischen Roman Die Straße, den Hale als Gymnasiastin gelesen hat und schwer davon beeindruckt wurde, wie sie aus heutiger Sicht sagt: »Am meisten liebte ich, dass es eigentlich gar nicht so sehr um das postapokalyptische Setting geht, sondern dass es im Kern eine Geschichte über einen Vater und seinen Sohn und ihre Beziehung ist. Das ist etwas, was mich schon immer interessiert hat: die Weise, wie etwas Großes in dieser Welt passiert, wir dennoch die ganze Zeit bei den zentralen Charakteren des Romans bleiben.« Und sie bewundere die schwer aufrechtzuerhaltende Fähigkeit McCarthys, alle Details zu tilgen, die unwesentlich sind.

 

In einem anderen Interview, mit dem Blog Ten Penny Dreams, antworte Hale auf die Frage, was ihr Buch einzigartig mache, mit den Worten: »Es stimmt, dass es eine Menge Bücher gibt, die sich damit beschäftigten wie Individuen in einer dystopischen Zukunft überleben, nachdem die Gesellschaft zusammengebrochen ist. Aber was mich interessiert, ist nicht das, was verloren geht, wenn die Gesellschaft zerbröckelt, sondern was danach übrigbleibt.« Und sie interessiere sich für Geschlechterrollen: »Was passiert, wenn es keine Männer mehr gibt?«

 

Der Roman ist schnell zu lesen, was aber zur Hälfte daran liegt, dass nach jedem Abschnitt, der mit einem zentrierten Sternchen markiert ist, der Rest der Buchseite leer bleibt. Das passiert alle zwei bis vier Seiten und manchmal stehen auf einer Seite gar nur ein paar Zeilen, bis der nächste Abschnitt beginnt. Das macht »Mein Name ist Monster« schon aus lesetechnischen Gründen zum Pageturner.

 

Insgesamt manifestiert sich der Eindruck, dass man es bei »Mein Name ist Monster« mit einer Sammlung von Gedanken, Schilderungen von Kurzbegebenheiten oder poetischen Beschreibungen zu tun hat, die zwar eine fortlaufende Handlung beschreiben, aber der Text mehr auf Stimmung, Bilder und Emotionen achtet als auf eine packende Handlung. Nichtsdestotrotz ist Hale schon in jungen Jahren eine talentierte Autorin, die gekonnt mit Sprache spielt und die es zu entdecken lohnt.

 

Man sollte sich jedoch auf eine eher actionarme Handlung und viel gedankliche Reflexion einstellen. Also nichts »Lautes« und viel Kawumm, sondern eher etwas in der Tradition von McCarthys »Die Straße« oder Das Licht der letzten Tage von Emily St. John Mandel.

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Buch:

Mein Name ist Monster

Original: My Name is Monster, 2019

Autorin: Katie Hale

S. Fischer, 25. März 2020

Übersetzung: Eva Kemper

Titelillustration: Gill Heeley

gebundene Ausgabe, 384 Seiten

 

ISBN-10: 3103974698

ISBN-13: 978-3103974690

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B07ZGDTSTR

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 28.04.2020, zuletzt aktualisiert: 17.01.2024 18:43, 18554