Metro Exodus (PC; USK 18)
 
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Metro Exodus

Rezension von Cronn

 

Vor mir ragt der ehemalige Leuchtturm in die Höhe, umwölkt von Sandteufeln und vorbeiwirbelnden Steppengrasbüschen, die der allgegenwärtige Wind herausgerissen hat.

Ich höre die Schüsse und die Flüche der Banditen. Ohne es zu wollen, muss ich grinsen, denn ich weiß: Jemand oben im Leuchtturm hat die Kerle ganz schön im Schwitzkasten. Und wer sich um Banditen kümmert, der hat bei mir einen Stein im Brett. Schon jetzt mag ich den Typen da oben im Glaskasten des Leuchtturms.

Als ich um einen größeren Felsbrocken herumbiege, erkenne ich die Situation. Mehrere zerstörte Gebäude bieten mit ihren zerfallenen Mauerresten Deckung für die Banditen. Zerbeulte Antennen und Parabolspiegel liegen herum und zeigen mir, dass das hier wohl mal die Funkstation »Caspian 1« gewesen war. Damals, vor dem Krieg.

Der erste Bandit merkt nicht einmal, dass ihn jemand angreift, so schnell habe ich ihn mit meinem Wurfmesser niedergestreckt. Sein Kumpel neben ihm schaut noch erstaunt, da trifft ihn schon mein zweites Messer. Doch sein Nebenmann hat mich bemerkt und ruft eine Warnung seinen Kameraden zu. Ich ziehe mein selbst zusammengeschraubtes Sturmgewehr auf AK-47-Basis und jage eine Salve in den Brustpanzer des rufenden Typen.

Sein Schrei verstummt und ich gehe in Deckung. An den Rufen der Banditen bemerke ich, dass sie ihre Position verändern und mich flankieren wollen. Aber da haben sie nicht mit dem Typen im Turm gerechnet. Während die Ganoven sich neu aufstellen, nimmt der Kerl dort oben sie beim Wechseln der Stellung ins Visier. Der peitschende Knall eines Sniper-Gewehrs zerreißt die nächtliche Stille über dem kaspischen Meer und ich höre den dumpfen Aufprall des Geschosses, gefolgt von einem kurzen Stöhnen und dem typischen Klappern, wenn ein vollbepackter Banditen-Körper mitsamt selbstgebasteltem Brustpanzer zu Boden fällt.

Ich nutze die Verwirrung und luge um die Ecke, feuere zwei kurze Feuerstöße und ziehe mich wieder zurück. Dann wechsle ich die Deckung und verstecke mich hinter einem ausgebranntem Autowrack. Noch zwei Feuersalven, dann ist es geschafft und ich stehe allein auf dem Feld vor dem Leuchtturm. Nun höre ich jemanden von oben rufen: »Komm her, ich schicke den Lift herunter!«

Erstaunt stelle ich fest: Es ist gar kein Kerl, sondern ein Mädel! Warum auch nicht? In dieser Ödlandwelt muss jeder damit klarkommen, dass Gewalt oft das letzte Mittel der Wahl ist. Und warum sollte nicht auch ein Mädel mit einem Snipergewehr klarkommen?

Der Lift ist da. Ein umgebautes Paddelboot. Naja, es wird mich schon tragen können.

Ich steige ein und sofort beginnt mein Weg nach oben. Wer wird mich dort erwarten?

 

Metro Exodus ist das lang erwartete Game, das die Story der beiden Vorgänger fortsetzt. Die ukrainischen Entwickler von 4A-Games sitzen inzwischen vorwiegend auf Malta und haben sich mit ihrem neuesten Spiel die Unterstützung von Deep Silver, Kochmedia und THQ Nordic als Distributoren und Publisher geholt. Doch worum dreht sich alles in »Metro Exodus«?

 

Hintergrund:

Um die Story von »Metro Exodus« vollumfänglich zu genießen, sollte man die Vorgänger kennen. Hier also ein paar spoilerfreie Hinweise zu den Vorgängern, direkt vom Studio:

 

Metro 2033: Im Jahr 2013 wurde die Welt durch ein apokalyptisches Ereignis verwüstet. Eine Handvoll Überlebender hat in den Tiefen der Moskauer U-Bahn Zuflucht gesucht. Wir schreiben das Jahr 2033. Du bist Artjom, der in den letzten Tagen vor dem Feuer geboren wurde, aber im Untergrund aufwuchs. Ein schicksalhaftes Ereignis lässt einen verzweifelten Einsatz im Herzen des Metro-Systems beginnen: Der Rest der Menschheit muss vor einer schrecklichen bevorstehenden Bedrohung gewarnt werden. Deine Reise führt dich aus den vergessenen Katakomben unter der U-Bahn in das trostlose Ödland darüber.

 

Metro: Last Light: Wir schreiben das Jahr 2034. Unter den Trümmern des postapokalyptischen Moskaus steht der Rest der Menschheit tödlichen Bedrohungen von innen und von außen gegenüber. Doch anstatt sich vereint zu wehren, kämpfen die Stadt-Stationen der Metro um ein Objekt der Macht: ein Apokalypsengerät aus dem Militärbunker D6. Der ausgebrochene Bürgerkrieg könnte die Menschheit für immer von der Erde verschwinden lassen. Als Artjom, der von Hoffnung getrieben ist, auf dem aber eine große Schuld lastet, hältst du den Schlüssel zum Überleben in der Hand – das letzte Licht in unserer finstersten Stunde …

 

In »Metro Exodus« schlüpft man erneut in die Rolle von Artjom, der inzwischen seine Geliebte Anna geheiratet hat. Tag für Tag geht er nach oben in das lebensfeindliche Moskau, um über den Ruinen zu sitzen und nach einem Funksignal zu forschen, das er einstmals empfangen zu haben glaubte. Schließlich erreicht es ihn erneut und im Laufe der Verwicklungen fliehen Artjom und einige aus dem Orden der Spartaner aus dem Untergrund Moskaus mit Hilfe des Zuges »Aurora«. Deren Reise durch das postapokalyptische Russland wird in »Metro Exodus« erzählt.

 

Die Story des Spiels ist hervorragend inszeniert. Es gibt einige Wendungen, die hier nicht verraten werden sollen. Diese tragen dazu bei, dass man stets sich auf neue Situationen und Charaktere einstellen muss. Und gerade die Figuren sind ein großes Plus von »Metro Exodus«.

 

Die NPCs sind sehr glaubhaft gestaltet. Das reicht von den kleinen Problemen, die jeder in seiner Seele mit sich herumschleppt, bis hin zu den großen Entscheidungen, welche sie sich stellen. Stets wirken die Charaktere überzeugend und wahrhaftig. Es gibt Situationen, in denen ich mir eine Taste für einen Handschlag gewünscht habe, um ein »Danke« auszudrücken. Später gibt es die Möglichkeit der Interaktion mit Charakteren, die über das reine Entgegennehmen einer Waffe oder dergleichen hinausgehen. »Metro Exodus« erschafft eine Nähe zu den NPCs, die im Shooter-Genre unerreicht ist. Wo kann man seine Frau liebevoll streicheln? Wo kann man mit den Kumpels ein Glas trinken? Durch diese kleinen Kniffe gelingt es den Machern von »Metro Exodus« ihr Spiel zu vermenschlichen, die Story bei aller SF-Rafinesse dennoch bodenständig zu halten. Großes Kino zum Mitmachen! Und das ist eine große Leistung der Spieleentwickler von 4A-Games, die hier das Medium »Videospiel« auf eine neue Ebene im Shootersektor heben.

 

Gameplay:

Im Kern steckt in »Metro Exodus« selbstverständlich ein grundsolider Shooter. Basierend auf der Romanwelt von Dmitry Glukhovskys Metro 2033 wurden die Stärken der Vorgänger aufgegriffen und mit neuen Ideen gekreuzt. Herausgekommen ist ein Hybrid, der sehr gelungen ist.

 

Die Basis von »MetroO«-Spielen war immer das handgemachte Crafting von Waffen und deren Munition. Wo vorher die Munition noch als Ware diente, entfällt nun dieser Aspekt in der freieren Welt von »Metro Exodus«. Allerdings stört das keinesfalls. Erneut darf man auf Basis von Pistolen, Sturmgewehren, Shotguns und dergleichen mehr seine eigene Waffe nach Belieben zusammenbasteln. Mit Hilfe unterschiedlicher Schäfte, Läufe, Visiere und so weiter kann man die Waffen dem eigenen Spielstil anpassen. Das macht auch noch nach vielen Spielstunden Spaß und bietet viele Optionen.

 

Das Gunplay funktioniert hervorragend. Man kann schleichen und die Gegner dann ausknocken (oder meucheln) oder man stürmt in die Basen mit feuerndem Gewehr voraus. Beide Spielstile funktionieren und je nach Methode wird das vom Spiel mit einem internen Karma-System abgezählt und dementsprechend wird das Ende des Games in Abstufungen von brutal bis friedliebend gezeigt. Mittels Molotow-Cocktails und Granaten kann man die Gegner umnieten, oder man setzt auf die Schleichvariante mittels Wurfmesser. Oder man lenkt die Feinde mit geworfenen Dosen ab.

 

Egal wie man vorgeht, immer wird man Ressourcen brauchen, um seine Waffen zu reinigen oder neue Munition herzustellen. Dies erledigt man mit Hilfe von Schrott und Chemikalien. Damit kann man auch Filter für die Gasmaske herstellen, die immer wieder mal nötig ist. Oder man baut sich seine Erste-Hilfe-Kästen selbstständig.

 

Die Welt von »Metro Exodus« hat sich im Vergleich zu den alten Metro-Spielen verändert. Freiheit wird nun groß geschrieben. Allerdings gibt es die auch immer wieder nur mit Einschränkungen. Dennoch funktioniert das bestens. Warum das so ist, soll gleich geklärt werden.

 

»Metro Exodus« entlässt den Spieler nach der Einführung und dem Weg heraus aus Moskau in die Freiheit einer abgegrenzten Sandbox. 4A-Games hat sich hier für einen Mittelweg entschieden zwischen Far Cry und Call of Duty – und das ist gut so!

 

Während offener Sandbox-Welten, zum Beispiel an der Wolga oder am kaspischen Meer, kann man neben den Hauptmissionen stets vom Pfad abweichen und sich die Welt selbst erkunden, seine eigenen Wege gehen. Abseits der Hauptmissionen finden sich kleinere Nebenquests. So soll man einem kleinen Mädchen den Teddy wiederbringen oder einem Banditen die Gitarre klauen (weil er so schlecht spielt, dass einem Kollegen von Artjom schwindelig wird, notgedrungen jede Nacht dem Gitarren-Gejaule zuhören muss). Diese Nebenquests erinnern an Rollenspiele, sind aber nicht so ausufernd wie bei Assassins Creed: Odyssee, sondern kann man nebenbei erledigen. Lässt man sie links liegen, tut das nicht weh. Aber man erfährt auf diese Weise mehr über die Spielwelt – und die ist großartig inszeniert.

 

Die Inszenierung erfolgt über klassische Memos oder Tapes, die man findet. Aber auch das sogenannte »immersive storytelling«, also das Erzählen mittels der Spielumgebung, ist sehr stark ausgeprägt. So findet man beispielsweise mehrere Skelette, daneben ein Akkordeon, aufgehängte Wäsche, leere Dosen und ins Wasser hängende Angelschnüre und kann sich so einen eigenen Reim darauf machen, wie die Menschen gelebt und woran sie gestorben sind. Diese Art von Storytelling ist sehr intelligent konstruiert und wurde von 4A-Games in lobenswerter Weise umgesetzt.

 

Daneben schickt uns »Metro Exodus« auch immer wieder in die klassischen Schlauchlevels. Das hört sich negativ an, ist aber nicht so gemeint. Ein Metro-Spiel ohne Bewegung im Untergrund wäre kein Metro-Spiel und so macht das »Metro Exodus« auch immer wieder, mal zwischen den großen Sandbox-Leveln, mal mitten darin. Im Untergrund wird aus dem Sandbox-Shooter dann ein Horror-Shooter: Das Licht flackert, die Spinnen sind zu hören und aus allen Ecken heult der Wind rostiger Klimaanlagen. Grandios für Horror-Fans in Sachen Atmosphäre!

 

Überhaupt: Atmosphäre! »Metro Exodus« blutet geradezu Atmosphäre. An allen Ecken und Enden wurde auf Details geachtet. Das Schwappen des Wassers an der Wolga, das Rinnen des Wassers auf der Lok der »Aurora«, die vorbeiziehenden Häuser, das zerfallene Innenleben der Häuser und dergleichen mehr. Das Spiel saugt den Spieler geradezu in sich auf, sofern er es zulässt. In seinen besten Momenten ist »Metro Exodus« verflucht nah an der Perfektion. Wären da nicht die ein oder anderen Bus und Glitches.

 

So kann es passieren, dass Gegenstände über dem Boden schweben oder Feinde durch Wände glitchen. Besonders lustig wurde es beim Test, als ein überdimensionaler Flusskrebs mitten auf dem virtuellen Kopf von Artjom spawnt und nicht wieder davon zu entfernen ist (außer durch ein Schnelladen). Aber die Bugs halten sich in Grenzen und nerven kaum.

 

Das Laden und Speichern ist recht elegant gelöst. Zwar kann man keine eigenen Spielstände anlegen, dafür gibt es aber ein Schnellspeicher-System und ein gut funktionierendes Checkpoint-System.

 

Ärgerlich ist, dass Artjom als Held stumm bleibt. Wo das bei anderen Shootern passen mag, hier wirkt es zeitweise sehr bemüht und reißt aus der Atmosphäre. Auch wenn das die Macher sicher anders sehen und die Immersion des Spielers erhöhen wollten, indem der Charakter nicht »mit fremder Stimme« spricht, so sei angemerkt: Ein schweigender Held wirkt in einem Storyshooter deplaziert und wie ein Fremdkörper, mit dem die anderen Charaktere wenig anfangen können. Eine Stimme für Artjom im Spiel selbst, wäre besser gewesen.

 

Grafik und Sound:

Die Grafikengine von »Metro Exodus« fußt auf der selbstentwickelten 4A-Engine des Studios. Diese wurde in den letzten Jahren immer wieder weiter aufgerüstet und sieht fantastisch aus. Auch die Performance kann sich sehen lassen. Auf einem einigermaßen aktuellen Rechner mit einer relativ potenten Grafikkarte ist das Game lauffähig und sieht immer noch schick aus. Mit Abstrichen lässt sich das Spiel noch weiter nach unten skalieren.

 

Der Sound ist gelungen, mit der oben genannten Einschränkung bezüglich Artjoms, und kann mit vielen atmosphärischen Elementen punkten.

 

Fazit:

Seit einigen Jahren schon ist das Shooter-Genre im Singleplayer-Bereich dominiert von reinen Ballerbuden, die oftmals ohne Herz und Hirn funktionieren. Löbliche Ausnahmen sind die Wolfenstein-Games von Machine Games aus Schweden. Und auch 4A-Games haben verstanden, was einen guten Storyshooter ausmacht: die Geschichte (natürlich) und die Charaktere.

 

»Metro Exodus« bietet beides – eine spannende Story und glaubwürdige Charaktere. Doch das Game geht einen entscheidenden Schritt weiter: Es lässt auch diejenigen Szenen spielen, die anderen Games zu unwichtig erscheinen. Es sind Szenen zwischen der Action! Und hierbei bauen die Macher tiefe Beziehungen zwischen Spieler und den Spielfiguren auf. Gepaart mit der freien Erkundung in den Sandbox-Abschnitten und den Horror-Elementen in den Schlauchleveln ergibt das eine grandiose Mischung, die in Summe den besten Shooter darstellt, der momentan auf dem Markt erhältlich ist. Seit Jahren wurde ich nicht mehr so sehr von einer fiktiven Welt fasziniert, ließ man mich eintauchen in mysteriöse Kulte, geheimnisvolle Orte und spannende Situationen. »Metro Exodus« fühlt sich organisch an. Schon früher gab es Abschnitte an der Oberfläche – nun hat man diesen Part konsequent ausgebaut (der schon immer für mich der Spannendere war).

Das Shootergenre hat einen neuen König – er heißt »Metro Exodus«!

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PC-Game:

Metro Exodus

4A Games / THQ Nordic / Deep Silver, 15. Februar 2019

USK: 18

Sprache: Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Russisch, Spanisch

Bildschirmtexte: Tschechisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Spanisch

Anleitung: Deutsch

 

ASIN: B079B358F9

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 25.02.2019, zuletzt aktualisiert: 14.04.2024 08:35, 17405