Reihe: Dorian Hunter 11
Hörspiel
Rezension von Oliver Kotowski
Rezension:
Dorian Hunter hat sich in das Sanatorium einweisen lassen, in dem seine Frau Lilian behandelt wird; inkognito als "Gary Stagg". Beim Krankheitsbild war er einfallslos: Er erzählte einfach, dass er der Sohn des Teufels sei, dessen Familie sich verschworen habe, um die Welt ins Unglück zu stürzen und er nun der Einzige sei, der die Wahrheit kenne, und darum Dämonenkiller geworden sei. Dr. Demming ist überzeugt, dass "Mr. Stagg" gut im Sanatorium aufgehoben ist. Dorian glaubt das auch, denn Lilian hat ihm erzählt, dass sie den Mord an der lebenslustigen, aber rebellischen Mitpatientin Kitty beobachtet habe – ein schwarzer Engel habe sie erstochen. Dorian ist verunsichert: Dämonen ertragen die Nähe von Wahnsinnigen nicht, aber irgendetwas geht im Sanatorium vor. Warum behauptet Dr. Demming, Kitty sei wegen ihrer Renitenz drüben im Flachbau untergebracht? Auch der Säufer Hallowell will sie gehört haben. Der Exhibitionist Dean reagiert aber sehr seltsam. Dorian muss bald erkennen, dass sein übliches riskant-aggressives Verhalten ihn hier nicht weiterbringt bzw. nur eine Fixierung einbringt. Hilflos muss er mit ansehen, wie weitere Patienten in den Flachbau verschwinden. Und sein Kollege Cohen verhält sich ebenfalls seltsam – wird er Dorians Anweisungen schnell genug weiterleiten?
Schwestern der Gnade ist die elfte Folge der Dorian Hunter-Reihe, und wieder wird mit einem für die Reihe ungewöhnlichen Plot überrascht. Eigentlich ist es ein ganz klassischer Whodunit: Die Patientin Kitty wurde anscheinend ermordet, bald verschwindet ein zweiter Patient. Wer ist der Täter, was ist sein Motiv? Wie im Whodunit sind der Schauplatz (Sanatorium) und die Anzahl der Verdächtigen (Patienten & Personal) eng begrenzt. Entsprechend sind die Spannungsquellen gesetzt: Zentral sind die Rätsel und die Bedrohung. Sekundär sind die eher komisch wirkenden Figuren: die schrulligen Schwestern, der Säufer, der Paranoiker; besonders der sich mit passiver Aggressivität um Dorian kümmernde Pfleger Arnie hat mir gefallen; das ist eine großartige Mischung aus Ekelslapstick und Sadomasochismus.
Hinzu kommen noch Stränge aus älteren Folgen: Lilian war nach ihrem Zusammenstoß mit Dorians Brüdern (in: Im Zeichen des Bösen) in psychiatrische Pflege gegeben worden (wird in Das Henkersschwert und Der Puppenmacher thematisiert). Nach langer Stille hört man einmal wieder von ihr. Auch wird die zunehmende Entfremdung zwischen Dorian und dem Secret Service weitergeführt (wurde in Der Folterknecht zum ersten Mal laut).
So weit, so gut – aber es wird noch besser. Marvin Cohen fragt Dorian, warum er sich habe einweisen lassen – Dorian gibt erst eine oberflächliche Antwort, letztlich weiß er es aber gar nicht so genau. In dieser Folge wird Dorians Charakter einmal mehr beleuchtet – er ist aggressiv, risikofreudig, leicht reizbar, hat einen Hang zu Sadismus und Sexismus und ist misstrauisch bis zur Paranoia. Klassisches Borderline-Syndrom. Gelegentlich hätte ich mir zwar eine größere Lösung vom Klischee und subtilere Charakterisierung gewünscht, aber auch so ist die Darstellung schon sehr interessant.
Die Anzahl der Sprecher ist relativ durchschnittlich für die Reihe: Das Inlay zählt siebzehn Sprecher auf. Es sind wieder viele Bekannte dabei: Thomas Schmückert (Dorian Hunter), Frank Gustavus (Marvin Cohen), Konrad Halver (Trevor Sullivan), Claudia Urbschat-Mingues (Coco Zamis), Frank Felicetti (Donald Chapman) und Tim Kreuer (Phillip Hayward) – die Meisten von ihnen haben allerdings nur Kleinstrollen, in denen sie nicht wirklich aufspielen können. Schmückert trägt dieses Mal besonders viel Spielzeit; er stellt seinen Borderliner auch in den kritischen Momenten sehr gelungen dar.
Von den verbleibenden Sprechern will ich drei hervorheben: Iris Artajo kehrt als Lilian Hunter zurück. Am bekanntesten ist die Synchronsprecherin wohl als Stimme von Keiko O'Brian aus Star Trek, doch sie hat auch schon einige Erfahrung als Hörspielsprecherin gesammelt – man kann sie aus den Reihen Takimo, Leon Traumjäger oder John Sinclair kennen. Artajo spielt quasi das Gegenstück zu Dorian: Lilian schwankt zwischen Freude, weil Dorian wieder da ist, einer generellen Verschüchterung und Verunsicherung und drohendem Persönlichkeitszerfall, wenn sie mit der Realität ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Peter Matić wird Vielen sicherlich als Synchronstimme von Ben "Gandhi" Kingsley kennen, für andere wird er untrennbar mit dem kleinen Magier Myxin aus John Sinclair verknüpft sein, doch er ist auch Sprecher in zahlreichen Lesungen und Hörspielen wie Die drei ???. Hier tritt er als Dr. Demming auf. Seine Rolle ist wesentlich nuancierter angelegt: Mal sachlich, mal jovial, mal enttäuscht, aber immer schön subtil. Als Letzten will ich Stefan Fredrich nennen. Er ist der feste Synchronsprecher Jim Carreys, die deutsche Stimme des berüchtigten Jar Jar Binks und auch sonst in vielen Filmen zu hören. Auch an Hörspielen wie Lady Bedfort, Ordensschwester Amélie und einigen anderen Produktionen aus dem Hause Hörplanet wirkte er mit. Hier spricht er den Pfleger Arnie. Man darf hier keinen Jar Jar Carrey erwarten – Arnie ist lakonisch bis phlegmatisch, meist leierig, hat einen leisen Hang zum Sadismus, ist aber eigentlich eher durchschnittlich, wenn auch naiv. Alle drei – Artajo, Matić wie Fredrich – können in ihren Rollen Niveau zeigen. Gut besetzt, gut gesprochen. Auch der Rest der Sprecherriege macht seine Sache mindestens ordentlich.
An der Inszenierung hat sich prinzipiell wenig geändert: Sie ist recht modern, es gibt keinen Erzähler, die Geräusche stehen für sich selbst. Die Geräusche werden zumeist verwendet, um Atmosphäre zu erzeugen oder um Handlung zu beschreiben. Neben den Sprechern sind beinahe immer Geräusche oder Musiken zu hören. Die Musikstücke sind wie stets stimmungsvoll und an den Industrial angelehnt.
Fazit:
Dorian Hunter ermittelt inkognito in dem Sanatorium, in dem seine Frau Lilian behandelt wird – sie behauptet, ein schwarzer Engel habe eine Patientin ermordet. In der elften Folge der Dorian Hunter-Reihe stimmt alles: Es werden ein spannender Whodunit-Plot, interessant-exzentrische Figuren, gute Sprecher und eine passende Inszenierung geboten. So darf es gerne weitergehen!