Abschied von Bleiwenheim (Herausgeber: Andreas Fieberg)
 
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Abschied von Bleiwenheim hrsg. von Andreas Fieberg

In memoriam Hubert Katzmarz

 

Rezension von Veronika Bräse

 

Begegnungen mit einem toten Schriftsteller

Es gibt Geschichten, die werden nie zu Ende erzählt. Dies passiert u.a. wenn der Autor stirbt, bevor er die Geschichte vollenden konnte. Willkommen in Bleiwenheim blieb ein unvollendetes Fragment des 2003 verstorbenen Schriftstellers und Verlegers Hubert Katzmarz, der auch unter dem Pseudonym Bertram Kuzzath veröffentlichte. Zu seinem 10. Todestag wurde ihm eine Anthologie gewidmet und der unheimliche Ort Bleiwenheim erwacht zu neuem Leben.

 

Eine Frau gerät bei der Lektüre genau dieser Geschichte in deren Handlung und verfängt sich darin. Sie begegnet dem Autor, der sich als tragischer Held in dem düsteren Ort befindet. Bleiwenheim ist ein Raum zwischen Leben und Tod. Hier wird Bertram Kuzzath und seiner Literatur gehuldigt, hier ist ihm ein ganzer Platz mit eigenem Standbild gewidmet, doch er kann den Ort nicht verlassen. Er ist der große Literat der Stadt und er hält Lesungen, z.B. in der Bibliothek. Dort trifft ihn Arlene.

 

»Es handelte sich um Bertram Kuzzath, und die Ähnlichkeit zu seinem Ebenbild auf dem Marktplatz war frappierend.

Allerdings las er so leise, daß nur ein unverständliches Gemurmel an Arlenes Gehör drang. Sie bezweifelte, daß selbst in den vorderen Zuschauerreihen ein einziges deutliches Wort ankam. Es war, als läse Kuzzath nur für sich selbst. Desto erstaunlicher waren die Ruhe und die Disziplin des Publikums. Kein »Lauter bitte!«-Ruf, kein Rascheln, kein Gehuste, kein Füßescharren wurden vernehmbar. Keine der schwarzen Silhouetten regte sich auch nur. Ja, selbst flüchtige Gerüche nach Parfüm, Kleidung oder Hustenpastillen, wie sie normalerweise von einer solchen Zuhörerschaft ausgehen, fehlten völlig. Die Zuhörer verharrten so starr und stumm auf ihren Plätzen, als hätte jemand drapierte Schaufensterpuppen in Reih und Glied gesetzt.«

 

Die Begegnung zwischen Arlene und Bertram Kuzzath findet in diesem Zwischenreich statt. Sie hinterlässt Spuren und führt zu einem neuen Anfang, der den Knoten löst. Malte S. Sembten erzählt diese phantastische Geschichte, die sich wie ein literarischer Rahmen um das ursprüngliche Fragment legt.

 

Unheimlich sind auch die meisten anderen Stories der Anthologie. Bei Boris Koch klingelt der Tod an der Tür, in Form einer attraktiven Frau. Bei der Rückkehr nach Mu fährt ein Mann zu der Beerdigung eines Freundes und merkt nicht, dass er selbst unheilvoll in diese Beerdigung verstrickt ist. Jörg Weigand schildert einen Flug, den es eigentlich nicht geben kann und Jörg Isenberg berichtet von einem Sanatorium, dessen Bewohner mit Ledergurten fixiert werden müssen, da sie anders ihre Gier nicht im Zaum halten können. Wonach sie gieren und warum dies geschieht erfährt der Icherzähler buchstäblich am eigenen Laibe.

 

Immer wieder ist es der Tod, der zum Thema wird und der von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Aber es gibt auch lustige und absurde Geschichten. Christian Thielscher erzählt von einem gelangweilten Beamtenmörder und Michael Siefener schildert den Besuch bei seinem ersten Verleger, der unschwer als Hubert Katzmarz zu identifizieren ist – eine ungewöhnliche, doch richtungsweisende Begegnung, der in der Realität viele weitere folgen sollten. Der Romanauszug von Hubert Katzmarz selbst schildert amüsant die Arbeit einer Literaturgruppe, die weniger mit Literatur als mit Gruppendynamik beschäftigt ist.

 

Das einfühlsame Vorwort der Anthologie stammt vom Herausgeber Andreas Fieberg, der mit Hubert Katzmarz eng befreundet war. Er setzt ihm und der Frage, wann ein Mensch wirklich tot ist in seiner Geschichte ein literarisches Denkmal. Der Umschlag stammt von Thomas Franke, der in seinem Epilog das schwierige Verhältnis von Hubert Katzmarz zu seiner eigenen Literatur zum Thema macht.

 

Kollegen, Freunde und Weggefährten würdigen mit ihren Erzählungen den Mann, der es verstand, in seinen Geschichten, die Schrecken des menschlichen Lebens auszuloten. Vertreten in diesem Gedenkband sind: Michael Engel, Andreas Fieberg, Thomas Franke, Jörg Isenberg, Jörg Kleudgen, Boris Koch, Monika Niehaus, Ellen Norten, Malte S. Sembten, Michael Siefener, Christian Thielscher, Uwe Voehl und Jörg Weigand. Mit einem Roman-Auszug von Hubert Katzmarz als Selbstzeugnis.

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Buch:

Abschied von Bleiwenheim

In memoriam Hubert Katzmarz

Herausgeber: Andreas Fieberg

Reihe: AndroSF 36

p.machinery, Murnau, Oktober 2013

Taschenbuch, 148 Seiten

Cover: Thomas Franke

 

ISBN-10: 3942533731

ISBN-13: 978-3942533737

 

Erhältlich bei: Amazon

Inhalt:

  • Andreas Fieberg: In memoriam Hubert Katzmarz

  • Christian Thielscher: Ruhe sanft!

  • Michael Engel: Ich bin nicht Kafka

  • Monika Niehaus: Schreibblockade

  • Michael Siefener: Nonnen (Auszug)

  • Hubert Katzmarz: Ein Meisterwerk der Weltliteratur (Auszug)

  • Jörg Weigand: Der mysteriöse Flug

  • Andreas Fieberg: Der Mann im Ei

  • Boris Koch: Vor der Tür

  • Ellen Norten: Der Tag, an dem die Welt verduftete

  • Jörg Kleudgen/Uwe Voehl: Rückkehr nach Mu

  • Thomas Franke: Saudade

  • Jörg Isenberg: Gier

  • Malte S. Sembten: Abschied von Bleiwenheim

  • Thomas Franke: Sisyphos

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Erstellt: 09.01.2016, zuletzt aktualisiert: 24.11.2023 15:44, 14263