Reihe: Dorian Hunter 20
Hörspiel
Rezension von Oliver Kotowski
Rezension:
Asmodi ist tot, die Schwarze Familie kopflos. Das Protokoll erfordert, dass die Anführer der elf verbliebenen großen Familien sich in einem abgelegenen Schloss in England versammeln und einen Nachfolger wählen. Sobald das Konzil eröffnet wird, hebt sich die Zugbrücke auf magische Weise und niemand kann das Schloss mehr verlassen, bis ein neuer Fürst der Schwarzen Familie bestimmt ist. Schon zu Beginn ist die Situation angespannt, der Ghoul Viale Mouthino etwa fühlt sich permanent als Dämon zweiter Klasse diskriminiert. Nachdem sich die ersten Wogen geglättet haben, schälen sich zwei Kontrahenten heraus: Der niederländische Dämon Red Jong, ein alter Hase im Geschäft und durchaus kühl berechnender Kopf, und Olivaro, der schon seit langer Zeit ein heimlicher Strippenzieher im Kampf der Schwarzen Familie gegen Dorian Hunter und der Inquisitionsabteilung des Secret Service ist. Familienführer, die sich ihn billig andienen wollen, weist er kühl ab – er hat einen größeren Plan. Und der geht so: Dorian Hunter ist seit einiger Zeit das größte Problem der Schwarzen Familie – Asmodis hat seine mangelhaften Methoden letztlich mit dem Leben bezahlt. Er, Olivaro, indes will die Sache anders angehen, er hat die aus der Schwarzen Familie verstoßene und enge Vertraute Hunters Coco Zamis ins Schloss geladen – kaum ist die erste Empörung verklungen, da geschieht ein erster Mord. Wer mordet wen und warum? Wer ist jetzt noch sicher?
Devil's Hill greift wie schon die vorherige Folge Richtfest die Ereignisse aus Kane auf: Was bezweckte Olivaro mit seinem Angebot an (oder genauer: der Erpressung von) Coco Zamis?
Vom Plot her ist es ein klassischer Whodunnit nach dem "Zehn-kleine-Negerlein"-Prinzip, wie es besondern in Agatha Christies And Then There Were None (ursprünglich: Ten Little Niggers, dt. Und dann gabs keines mehr) formuliert wird: Es gibt eine geschlossene Gesellschaft an einem abgeschiedenen Ort. Niemand ist sich grün, alle haben Motive, die anderen zu töten (auch wenn diese üblicherweise zunächst verborgen sind), und schließlich beginnen die Mitglieder der Gesellschaft zu sterben, wobei es keinen Täter von außerhalb geben kann. Die Spannungsquellen sind hier dreifaltig: Zuoberst steht die Frage, wer der Täter ist, aber dann stellt sich auch schon die Frage, wer ein Opfer werden wird – der sympathische Loser, die nette Tante, das großkotzige Ekel? Und quasi als Kitt fungiert die Frage, welches düstere Geheimnis die jeweilige Figur hat, denn der sympathische Loser und die nette Tante haben genauso wie das Ekel Leichen im Keller – vielleicht sogar mehr und grässlichere als das Ekel.
Die Anknüpfpunkte liegen klar auf der Hand: Die geschlossene Gesellschaft, deren Mitglieder alle Leichen im Keller haben, der abgeschiedene Ort – nur mit den Sympathieträgern fällt es bei der Schwarzen Familie schwer. Und dennoch, misst man Devil's Hill nach den Maßgaben dieses Plots, dann geht die Folge nicht auf: So richtig spannend ist es nicht, auch nicht, wenn das Morden endlich begonnen hat. Das liegt daran, dass es einerseits zu viele Figuren gibt, die andererseits nicht genug charakterisiert werden (können). Von den Geschäften und Verflechtungen der Schwarzen Familie erfährt man nahezu nichts – außer, dass sie sich nicht einig werden können, ob man Menschen eher lebendig oder tot verspeist. Auch die Ermittlungen verlaufen nicht nachvollziehbar und eher sprunghaft. Um aus dieser Falle zu entkommen, versucht Regisseur Marco Göllner, komödiantische Töne anzuschlagen: Die Dämonen neigen zu Lächerlichkeit, sie streiten über Banalitäten, horrible Banalitäten, aber immer noch Banalitäten. Am Ende geht auch dieses Konzept meines Erachtens nicht auf. Von dieser Seite her ist die Folge bloß mittelprächtig.
Letztlich bringt sie den Metaplot aber doch erheblich voran, auch wenn mir nicht klar ist, warum Olivaro seine verkündeten Pläne nicht schon früher in die Tat umsetzte – die Möglichkeit hatte er. Oder plant er insgeheim doch wieder anderes? Wir werden sehen.
Noch mehr als bei der letzten Folge Richtfest, ist Devil's Hill mit (für die Reihe) ungewöhnlichen Sprechern besetzt. Sieht man von Stefan Krause (Olivaro), Claudia Urbschat-Mingues (Coco Zamis) und den kurz sprechenden Asmodis (K. Dieter Klebsch) – äh, umgekehrt – ab, dann treten keine der Stammrollen oder deren Sprecher auf. Richtig, Dorian Hunter tritt in Dorian Hunter 20 nicht auf.
Es ist nicht immer leicht, die verbliebenen Rollen zu unterscheiden. Ein paar der markanteren will ich hier nennen. Zunächst ist da der Syndikus der Schwarzen Familie, der abgehobene, steif sprechende Skarabäus Toth. Tatsächlich hatte er schon einen kleinen Auftritt in Kane. Ihn verleiht Andreas Schmidt seine Stimme. Schmidt ist in puncto Hörspiel eher unbekannt, obwohl er schon kleine Rollen in Reihen wie John Sinclair (Edition 2000 und Classics) und Lübbes Edgar Allan Poe hatte. Quasi der Butler ist der unterwürfige, unsichere Creeper, der von Thomas Nicolai gesprochen wird. Auch Nicolai hatte man schon öfters in kleinen Rollen in der Reihe hören können, sowohl als Creeper (Das Mädchen in der Pestgrube, Das Dämonenauge) wie auch in anderen Rollen (Jagd nach Paris, Die Teufelsinsel, Richtfest). Sonst ist er in Käpt'n Sharky und anderen Reihen in kleinen Rollen tätig. Die beiden legen ihre Rollen im Rahmen der komödiantischen Töne überzogen an, was mir nicht sonderlich gefällt. In diese Kerbe schlägt wohl auch der Sippenchef Bob Dinero, der von Gordon Piedesack eingesprochen wird. Piedesack ist die Stammsynchronstimme von Robert De Niro; für den Gag muss er nicht mehr machen, als zu klingen wie – nunja – Robert De Niro in der deutschen Synchronisation nun mal klingt. Piedesack hatte ebenfalls schon Auftritte in der Hunter-Reihe (Freaks, Kinder des Bösen) und ist auch sonst ein erfahrener Hörspielsprecher (z. B. Leon Traumgänger, Schrei der Angst oder MindNapping). Anders bei Olivaros größtem Konkurrenten, dem Niederländer Red Jong. Der wird von Herman van Ulzen gesprochen – van Ulzen ist mir ansonsten unbekannt. Abgesehen vom Akzent spricht er seine Rolle ganz unauffällig, was mir zusagt. Anders bei der südkoreanischen Sippenchefin Kim Jong-suk, die von Djuwita Müller eingesprochen wird. Zwar spricht auch sie ihre Rolle eher unauffällig, doch ihr Akzent klingt mir zu aufgesetzt. Sie verfügt über einige Hörspielerfahrung, die sie in Reihen wie Die drei ??? Kids, Perry Rhodan Tamer u. ä. machte. Als letzte aufgefallen ist mir Captain Janeway vom Raumschiff Voyager. Also Gertie Honeck in der Rolle als Sippenchefin Theresa Angeli. Ihre Rolle ist hier ziemlich unscheinbar, aber sie hebt sie mit einer angenehmen Dosis Sarkasmus hervor. Honeck ist hinsichtlich der Hörspielszene mir vor allem aus Maritim-Hörspielen wie der Raumstation Alpha-Base oder Insignium – Im Zeichen des Kreuzes bekannt.
Auch für die Sprecherriege fällt mein Urteil schlechter als üblich aus: Die Leistung ist durchwachsen, einzelne Sprecher (Krause, van Ulzen) sind überzeugend, die meisten (Urbschat-Mingues, Piedesack) ordentlich, andere (Schmidt, Nicolai) weniger gelungen.
Die moderne Inszenierung der Dorian Hunter-Folgen ist mittlerweile oft genug erwähnt worden, sie findet sich auch hier: Es gibt keinen Erzähler, die Geräusche werden nie erläutert, gelegentlich sogar dramatisch genutzt. Wie immer ist der Klangteppich dicht geknüpft. Die Musik ist zumeist kaum mehr als solche zu erkennen: Es sind eher klopfende, pochende, metallisch-klingende oder rauschende Geräusche, die an urbane Hintergrundgeräusche gemahnen. Eine Melodie ist kaum erkennbar. Damit ist sie wohl dem Industrial zuzuordnen – und passt gut. Hinsichtlich der Tonschichten agiert Göllner wieder eher konservativ – meistens werden zwei verwendet: Sprecherdialog und Geräusche oder Musik. Hin und wieder nutzt er das zeitweise Verschmelzen zweier Sprecherdialoge, um die Szene aufzubrechen: In diesen Momenten ist nicht klar, wohin die Szene bzw. der Plot führen wird, die verschiedenen Gespräche sind gleichwertig. Es scheint mir, als sei Göllner auf der Suche nach neuen inszenatorischen Ausdruckmöglichkeiten. Man darf für die Zukunft gespannt sein, was ihm einfällt.
Fazit:
Das Konzil der Schwarzen Familie ist zusammengekommen, um einen neuen Fürsten zu wählen. Der durchtriebene Kandidat Olivaro offenbart gerade, dass er die Ausgestoßene Coco Zamis eingeschmuggelt hat, als ein Mord geschieht – wer mag der Nächste sein? Devil's Hill gehört leider zu den schwächsten Folgen der Reihe: Als Whodunnit wird zu wenig Wert auf die Charaktere, ihre Motive und dunklen Machenschaften gelegt, als Komödie ist es zu selten komisch. Auch die Sprecherleistung ist schwächer als üblich, nur die Inszenierung bewegt sich auf – für die Reihe – ordentlichem Niveau. Nichtsdestominder ein wichtiger Schritt im Metaplot: Was wird Olivaro als Nächstes unternehmen.