Gespräch: Jakob Schmidt am 18.02.2016 im Otherland
 
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Gespräch: Jakob Schmidt am 18.02.2016 im Otherland

Bericht von Ralf Steinberg

 

Vor 50 Jahren erschien der erste Roman aus dem Dune-Zyklus von Frank Herbert. Nach einer stark gekürzten Fassung brachte der Heyne Verlag 1978 eine vollständige Übersetzung von Ronald M. Hahn heraus, mit der wohl die meisten deutschen SF-Fans die Welt des Wüstenplaneten entdeckten und lieben lernten.

Was steckt nun hinter der aktuellen Neuübersetzung, die Otherland-Mitbesitzer und Autor Jakob Schmidt im Auftrag des Heyne Verlages anlässlich des Jubiläums anfertigte?

Vor einer ausgesuchten Leserschaft stand Jakob Rede und Antwort.

 

Das Otherland hatte natürlich seine Schaufenster entsprechend auf das Thema ausgerichtet. Da Jakob bereits fünf Bände Prequels und Inquels zur originalen Reihe für Heyne übersetzte, war der Anruf von Sascha Mamczak nur konsequent, wenn auch eine ganz besondere Ehre und Freude, da Dune als Roman literarisch doch über seine Diadochen hinausragt.

Nach einer kurzen Vorstellung von Otherlander Simon Weinert begann Jakob dann auch schon über seine Arbeit zu plaudern.

Da die Zusammenarbeit mit Heyne in den letzten Jahren sehr gut lief und er mit Kim Stanley Robinson und M. John Harrison Autoren abgegriffen hatte, die als anspruchsvoller gelten, frug ihn eben Sascha Mamczak als SF-Programmleiter von Heyne, ob er nicht die jetzt fällige Neuübersetzung machen möchte.

 

Ich war natürlich viel zu bescheiden und hab gesagt, ich bin gar nicht so’n Spezialist für den Wüstenplaneten. Aber ich würd’s trotzdem machen. Da hat er sich nicht von abschrecken lassen. Er guckt sich das dann auch noch mal an. Er ist ja auch, wie man aus diversen Heyne SF-Jahren und Artikeln schließen kann, schon ein ziemlicher Spezialist für das Buch. Das heißt, es war durchaus ein gewisser Druck da, keinen ernsthaften Blödsinn zu machen.

Ich habe diese Übersetzung ziemlich genau so gemacht, wie ich jede andere Übersetzung mache, das heißt, ich habe erst nicht nochmal ins Original und die Übersetzung geschaut, sondern mich hingesetzt und dieses Exemplar der Reihe nach runter übersetzt. Habe dann ab und zu nicht in die erste, sondern in die zweite Übersetzung von Ronald. M. Hahn geguckt, die auch die erste Fassung ist, die ich jemals gelesen habe. Die hängt bei mir eh drin.


Wichtig war ihm vor allem bestimmte Begriffe gleich zu verwenden, da eine Kontinuität zu den Folgebänden bestehen bleiben muss, denn es ist eher nicht wahrscheinlich, dass einer der anderen fünf Bände neuübersetzt wird.

 

Erst bei der Überarbeitung schaute er öfter in die Hahn-Übersetzung.

 

»Und wenn ich da gemerkt habe, okay, da ist etwas ziemlich anders, habe ich dann noch mal geguckt, wer hat da etwas falsch gemacht oder eine komische Entscheidung getroffen und da dann durchaus auch noch öfters Mal einen guten Anstoß bekommen. Das heißt, es ist gar nicht so blöd, eine Zweit- oder Drittübersetzung zu machen, hab ich dabei festgestellt.«

 

Die alte Übersetzung mag Jakob auch weiterhin noch gern, denn sie hat eine ganz dichte Atmosphäre.

 

»Musste aber auch feststellen, vieles ist inhaltlich sehr zusammengerafft oder auch einfach etwas Anderes, als im Original steht, ganz banal.«

So etwa die Zueignung am Anfang.

 

»Es ist schon fast das Gegenteil, Es ist wie gesagt eine schöne Widmung, stimmt aber inhaltlich so nicht.«

 

Hahn hatte damals natürlich deutlich weniger Hilfsmittel und Jakob gab seiner Ehrfurcht darüber Ausdruck, wie man das ohne Google und Online-Wörterbuch schaffen konnte.

Desweiteren hatte Jakob jemand an der Hand, der ihm mit den arabischen Begriffen weiterhelfen konnte.

 

Hannes Riffel warf an diese Stelle ein, dass es ja auch eine der ersten Übersetzungen von Ronald war. Er war Schriftsetzer und wurde von Wolfgang Jeschke quasi dazu verpflichtet, den Roman zu übersetzen.


»Viele werden es ja gelesen haben in der Übersetzung und wahrscheinlich da auch intensive Erinnerungen daran haben. Ich hab dabei auch immer noch durchaus ein ehrfürchtiges Gefühl bei dem Ding, aber auf der Sorgfaltsebene konnte man schon viele Sachen noch einfach besser machen. Das hängt zum andern auch an den ganzen Hilfsmitteln. Wobei ich sagen muss, ich wüsste nicht, was ich ohne Computer zu Wege bringen würde.«

 

Es liegt nun an den Leserinnen und Lesern, nachzuprüfen, ob Jakobs Übersetzung eine ähnliche Wirkung entfalten kann.

 

Dann ging es um die Frage, inwieweit Frank Herbert auf den islamischen Kulturkreis einging. Einige Begriffe hätten durchaus nicht die Bedeutung gehabt, die Herbert wohl im Sinne hatte. Jakobs arabische Quelle, ein langjährig in Deutschland lebender Syrer, konnte da einige Dinge aufklären.

 

Eine weitere Entscheidung betraf die anachronistische Sprache. Jakob übernahm hier das Siezen trotz archaischer Anreden, wie es Hahn bereits eingeführt hatte, da das Original zum Beispiel für den Pluralis Majestatis wenig Hinweise gab.


»Aber ich finde das es sehr gut zu dem Buch passt und was ich so auch rüber bringen wollte, dass es diesen dauernden Kontrast gibt von feudalistischer Gesellschaftsstruktur, religiöser Fundamentalismus, gleichzeitig so ein faschistoider Technikkram. Was eigentlich ein ganz krude Mischung ist. Das war mir wichtig.«

 

Natürlich musste er dann den »faschistoiden Technikkram« erklären:

 

»Ich habe mich sehr offensiv bemüht, die Dinge, die mir sauer aufgestoßen sind, kenntlich zu machen und drin zu lassen. Es geht ja viel um Führerprinzip, um genetische Determination, um die Notwendigkeit, eine gewaltige Massenbewegung ins Leben zu rufen, die unglaubliche Verbrechen begeht, um die menschliche Evolution voranzubringen. Für mich stand ganz klar das Gefühl immer im Hintergrund: Frank Herbert hatte da zwei total ambivalente Faszinationen, und das eine war der Islam als Religion und das andere waren faschistische Bewegungen. Wenn man das intensiv liest, ist das, was Paul Muadib, in Bewegung setzt, eine faschistische Massenbewegung mit genau den Begründungen die faschistische Bewegungen typischerweise hatten. Dem Wohl der gesamten menschlichen Spezies muss halt ein großer Teil der Art geopfert werden.«

 

Der Wüstenplanet impliziert durchaus, dass an diesem Denken etwas dran ist, die Evolution des Menschen solche Opfer benötigt. Inwieweit sich hier ein Gedankenspiel und Frank Herbert tatsächliche Meinung begegnen, ist schwer zu sagen.


»Das wird nie so ganz geklärt, das könnte auch alles ein großer Mumpitz, ein gewaltiger Mythos sein, der von den Bene Gesserit und von anderen Gruppierungen über Jahrtausende hin aufgebaut worden ist, um irgendwelche Machtziele durchzusetzen und der dann außer Kontrolle geraten ist, also ein eugenisches Experiment das einfach nur ins völlige Chaos geführt hat.«

 

Interessant ist auch, dass viele das Buch zuerst als Heldengeschichte lesen. Gerade in Amerika stünde dieser Heldencharakter bei den Lesarten im Vordergrund.

 

Die Diskussion führte dann von den geschichtsphilosophischen Bestandteilen des Buches über Aristokratie auch zur ökologischen Bedeutung des Romans. Denn Frank Herbert baut ein System auf, das auf dem Gewürz beruht und doch dabei ist, dessen Quelle zu vernichten.

 

»Das Frank Herbert das thematisiert, ist gerade auch für die Zeit eine unglaubliche Leistung. Dass er von einem Universum schreibt, das in fast allen Belangen von diesem Gewürz abhängig ist, fürs Reisen, für Gesundheit und gleichzeitig geht es das ganze Buch und die Folgebande über darum, dass die Leute gar nicht so recht verstehen, wo die das herkriegen, wie das Ganze funktioniert, was sie anrichten, wenn sie sich da einmischen. Das ist eine wahnsinnig starke Kritik eigentlich.«

 

Das Besondere an Herberts Schreibweise ist, dass er es den Lesern überlässt, Schlüsse zu ziehen oder die Folgerichtigkeit der Entwicklung zu bejahen oder eben abzulehnen.

 

»Er baut etwas komplexes auf und sagt dann: Okay, mach dir deine Gedanken dazu.«

 

Das betrifft auch den Weltenbau mit Adelshäusern und der Gilde als Macht im Schatten.

Zu Recht warf Hannes ein, dass in der Gesellschaft von Dune nur eine Form zu finden ist, eben die Aristokratie. Es fehlt ihm für die Größe des erschaffenen Universums und die besprochenen Zeiträume eine entsprechende Vielfalt.


Was übrigens Herberts Sohn und Kevin J. Anderson in ihren Fortsetzungen nicht mehr gelang, ganz davon angesehen, dass ihre Romane philosophisch und literarisch eine andere Qualität erreichten.

 

Am Ende des Gespräches wurden noch weitere Werke Frank Herberts empfohlen und kurz vorgestellt, die Bandbreite der Kenntnisse war groß und davon lebte der ganze Abend auch ungemein. Man war nicht nur gekommen, ein großartiges Buch zu feiern, sondern auch, um sich mit einer faszinierenden Materie auseinander zu setzen.

 

Man hätte noch ewig weiter reden können, aber auf jeden Fall hat man große Lust bekommen, erneut auf den Wüstenplaneten zu reisen.

Vielen Dank an Jakob Schmidt und dem Otherland-Team für den hochinteressanten Abend!



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Im Gespräch:

Der Wüstenplanet

Originaltitel: Dune, 1965

Autor: Frank Herbert

Übersetzer: Jakob Schmidt

Taschenbuch, 800 Seiten

Heyne Verlag, 11. Januar 2016

Farbtafeln: John Schoenherr

 

ISBN-10: 3453317173

ISBN-13: 978-3453317178

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B00XSQQ38G

 

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Erstellt: 21.02.2016, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 14325