Der große dunkle Mann aus dem Urwald, stumpfer Blick aus Augen, deren Pupillen im Weiß zu ertrinken scheinen, mechanische Schritte, Haut wie poliert, der Kerl halbnackt, immer lauernd, immer starrend, immer da, wenn es finster wird, wenn jedes Knacken eines Astes wie die Warnung vor dem Unheil klingt, weil die Nacht ultimativ seltsam böse wird … er war mein erster echter Zombie. Ein wie gemeißelter Voodoo-Zombie ohne körperliche Ekel-Blessuren und blutige Fleischlappen zwischen den Zähnen, dargestellt von Darby Jones, einem farbigen Schauspieler aus L. A., damals »typisch« gebucht für Rollen als Hotelpage, Diener, Sklave, Buschmann bei Tarzan und furchteinflößender Untoter.
Jaques Tourneur engagierte den 33Jährigen Jones 1943 für I walked with a Zombie und ließ ihn als Angstmacher in fortschreitender Dämmerung erwachen, taumeln, tappen, einfach nur wie eine Statue dastehen und seltsam gucken. Mehr war da prinzipiell nun nicht. Mein erster echter Zombie hat mich trotzdem erschreckt. Nicht wirklich fürchterlich, aber auf fröstelnd nervös machende Art.
Erste Angstmacher
Von seiner alptraumhaften Entwicklung in eine grausame Killermaschine, die sich in Menschen verbeißt und sie frisst, während Maden aus ihrem verwesenden Leib krabbeln, Gedärme aus dem Bauch quellen und Glieder grausig verstümmelt sind oder gänzlich fehlen, – … egal wie, das Ding lebt weiter … –, war Darby Jones zwar Lichtjahre entfernt. Schien mir doch aber schon unheimlich genug zu sein, um das Wort »Zombie« zukünftig vorsichtshalber zu flüstern. Faszinierend das so fremde, so geheimnisvolle Szenario: Buschtrommeln, rhythmisch, laut, schnell, dröhnender, lauter, entrückte ekstatische Tänzer, schöne, geschmückte Menschen, die sich wie irre geworden und doch so geschmeidig biegen und verrenken, flackernde Pupillen, verdrehte Augen, die verraten, gar nicht wirklich da zu sein, Knochen rund um die Feuerstelle verteilt, mit Nadeln durchstochene Puppen …
Meine Großmutter, die diesen einen filmischen Meilenstein bei unser aller »Walk of Dead« durch die Jahrzehnte gottergeben mitguckte, war da deutlich weniger beeindruckt. Sie meinte, »Ach Gott, ja ... Voodoo«, ließ sie alle auf dem Bildschirm trommeln und strickte weiter. Als wäre mit dieser schnöden Bemerkung alles gesagt.
Zeitgleich ungefähr, – in den 1970ern war das – , sah ich den ersten gedrehten Zombie-Film überhaupt, White Zombie (1932) von Victor Halperin, in dem emotionslose haitianische Sklaven mit weit aufgerissenen Augen wie denkwürdige Schlafwandler über die Leinwand wanken. Da jagt, beißt, zerfleischt, infiziert niemand, grundsätzlich ergo recht harmlos, das Ganze, sei denn, allein die skurrile Optik und der Gedanke daran, dass die überhaupt da sind, jagen bereits Schauer über den Rücken. Bela Lugosi spielt den bösen Voodoo-Magier Legendre, der auch die schöne unschuldige Madeleine in eine willenlose Untote verwandelt. Legendre ist der Gebieter der Zombies, ihm gehorchen sie, warten auf seine Befehle. Töten für ihren Herrn. Zerfetzen aber keine Leute, weil sie Menschenfleisch brauchen.
I am Legend
Die recht kompromisslose Gewaltbereitschaft und diese widerliche Essgewohnheit der Zombies wird gar nicht thematisiert. Das erledigte bekanntlich bravourös und Genre-prägend Romero als Erster, inspiriert von der alles Menschliche vernichtenden Seuche in I am Legend von Richard Matheson, und seine Interpretation vom Zombie (Ableitung vom zentralafrikanischen »nzùmbe« = Totengeist) ist eine gänzlich andere als die der düsteren Spukgestalt hinter diesem Busch, in jener Ecke und vor dem Himmelbett einer kranken, verzauberten Lady. Romero, – Night of the Living Dead –, … das ist kein Wiedererwecken. Das ist der Schubs in die Hölle. Voodoo … das ist Gänsehaut aus der Karibik. Und Panscherei mit Ekel-Zutaten. Das eben auch.
Ein im Voodoo vom Priester, dem Bokor, verwendetes Gebräu, das in der Hauptsache aus Giftpflanzen, dem Gift des Kugelfisches, Kröten und Knochen gemacht wird, kann nach Einnahme Herzfrequenz und Puls derart extrem senken, dass der Betroffene keine wahrnehmbaren Lebenszeichen mehr zu erkennen gibt. Er scheint tatsächlich tot zu sein. Irgendwann lässt aber die Wirkung des Tranks wieder nach, der vermeintlich Verstorbene erhebt sich, wohl recht verwirrt, irritiert und trunken vor Gift, und der Bokor gilt für die staunende Menge als der Allmächtige, der so etwas Ungeheuerliches allein durch seinen großen Zauber zustande bringt. Die in solchen Fällen unglückselig Auferstandenen sind meist Personen, die zur Strafe für begangene Untaten erweckt und damit in Zombies verwandelt werden.
Teilen wollte deren Schicksal freiwillig verständlicherweise niemand. Da war, ist die Furcht davor, selbst wieder zurückzukehren, gleichwohl die Angst vor denen, die das tatsächlich können. Besser wohl: Die das müssen. Weil sie willenlos dienen sollen, – nützlich auch für finsterste Zwecke –, oder weil sie sich, wie von genialen Köpfen der Popkultur visionär und gar nicht mal so abwegig erdacht, durch Ansteckung und Verseuchung in Bestien verwandeln.
Furcht vor Wiederkehr
Die Vorstellung davon, dass Tote wieder zurückkehren und indirekt aus dem Grab heraus Unheilvolles bringen, ist natürlich keine reine Voodoo-, Roman- oder gar Hollywood-Erfindung. »Scheintote« haben Legenden gemacht, Totenwachen ihren Sinn ergeben, Menschen, die nach einem Gehirnschlag »erwacht« sind und zweifellos anders waren, schürten das mythische Feuer, und die Panik von Poe, grandios gerahmt, bestätigte. In der Karibik waren und sind die Untoten mit Leichenflecken versehen, in den Karpaten sind ihre Zähne und Krallen lang. Sie sehen so oder ähnlich aus, wie man dort allgemein Leichen kennt: Tropisches Klima verfärbt tote Haut schneller, – Zombie –, kaltes, – Vampir –, zieht das Fett- und Bindegewebe zurück. Und das nun ist die Basis für die eigenen Bilder. Die sind (immer!) noch schlimmer.
Im Sprichwort heißt es:
»Klage nicht darüber, dass Gott den Tiger erschaffen hat, sondern danke ihm, dass er ihm keine Flügel gab.«
Prinzipiell richtig. Voodoo lässt den Zombie nicht fliegen. Aber George A. Romero hat ihn in seiner Kult-Schauer-Nacht abheben lassen. Und Robert Kirkman, Tony Moore, Frank Darabont (The Walking Dead) … und unsere so verdammt phantastische Kopfwelt … er fliegt weiter als Ikarus. Kein Absturz in Sicht.
Mittlerweile sind wir zumindest gedanklich gerüstet. Wir wissen, dass ins Gehirn geschossen oder der Kopf abgeschlagen werden muss, um einen Zombie zu erledigen. Und sind fassungslos, wenn niemand im Train to Busan ( 2016, Yeon Sang Ho) sitzt, der eine vernünftige Waffe parat hat. Ratlos sind wir immer noch bei Voodoo-Zauber mit Puppen, in denen unsere Stirnlocken oder Fingernägel stecken. Da wird’s eng. Wir kennen die Geschichte der unglückseligen Christine in Drag me to hell (2009, Sam Raimi), wir befürchten, dass es auch ohne Bastelei funktioniert, dass ein simpler abgerissener Jackenknopf genügt …
»Ach Gott, ja … Voodoo.« So bedenklich gelangweilt würde meine Großmutter da wohl nicht mehr reagieren wie damals bei »I walked with a Zombie«. Tatsächlich hatte sie überhaupt keine Ahnung und wollte auch prinzipiell gar nichts darüber wissen: »Die stecken Knochen in die Erde und bringen damit Leute um. Reicht mir.« Punkt. Nun gut.
Ach Gott … Voodoo
So gänzlich fehlinformiert war das jetzt gar nicht. Der Katzenfluch von Buenos Aires ist keine bloße Schauermär. Zweifellos weniger so richtig schaurig denn mysteriös. Immerhin. Da vergruben also argentinische Fußballfans, Anhänger des Lokalrivalen Independiente, 1967 im Stadion des Meistervereins Racing Club de Avellaneda die Kadaver von sieben schwarzen Katzen. Freilich nicht aus mörderischer Absicht. Tot umfallen lassen wollten sie die Konkurrenz nicht, sie wollten simpel Erfolglosigkeit heraufbeschwören. Die hielt sich tatsächlich über dreißig Jahre, obgleich man mittlerweile bei sechs Skeletten fündig geworden war. 2000 wurde das Stadion komplett umgepflügt, und endlich kam die siebte Katze ans Tageslicht.
Ende der Pechsträhne: In der folgenden Saison gewann der Verein die Meisterschaft in Argentinien. Und wenn sie nicht gestorben sind …