Das Science Fiction Jahr 2015 hrsg. Sascha Mamczak und Hannes Riffel
Rezension von Markus Mäurer
Rezension:
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nie auch nur einen Blick in das SF-Jahr geworfen habe, als es noch bei Heyne erschienen ist. Der Wechsel zu Golkonda erschien mir der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg, und es hat sich gelohnt, die über 600 Seiten habe ich an fünf Tagen weggelesen. Es war kein einziger Artikel dabei, den ich uninteressant fand. Nur über die Hörspielsektion habe ich mich ein wenig geärgert, da die kommerziellen Hörspiele dort mit einem knappen Artikel abgehandelt wurden (wenn auch mit positivem Tenor), während die Radioproduktionen ausführliche Besprechungen erhalten haben (wenn auch mit deftigen Spoilern – wer sich das empfehlenswerte Hörspiel The Cruise anhören möchte – das es hier (nur für begrenzt Zeit) kostenlos zum Download gibt –, der sollte die Rezension meiden, da dort das Ende, also die Auflösung des Rätsels, komplett gespoilert wird).
Die zahlreichen Nachrufe zum traurigen Anlass des Todes von Wolfgang Jeschke haben mich tief beeindruckt und die Legende Wolfgang Jeschke nur noch größer werden lassen. Solch menschlich liebenswerten aber doch hoch professionellen Persönlichkeiten sind in der Verlagsbranche in Zeiten, in den das Controlling und die Marketingabteilungen regieren, vermutlich selten geworden.
Ansonsten hat mich vor allem Dietmar Daths Artikel über die höchst anspruchsvolle und den Leser herausfordernde Orthogonal-Trilogie von Greg Egan neugierig auf die Lektüre der Selbigen gemacht. Die Buch- und Filmbesprechungen lesen sich alle interessant, sollen aber teilweise Zweitverwertungen von schon anderswo erschienenen Texten sein. Da lobe ich mir die Beiträge zu den Computerspielen, die mit den üblichen Rezensionsstrukturen brechen und Neuerscheinungen sind.
Zukunftsforscher und SF-Autor Karl-Heinz Steinmüller (Andymon) liefert wie immer einen unterhaltsamen und geistreichen Ausblick in mögliche Zukünfte.
Ken Liu gibt uns einen sehr interessanten Einblick in die chinesische SF-Literatur – da habe ich mir einige Autorinnen und Autoren notiert.
Simon Spiegel setzt sich ausführlich mit den Schwarzen und logischen Löchern in Christoper Nolans Interstellar auseinander, und auch wenn ich ihm hier nicht zustimmen kann – für mich einer der besten SF-Filme aller Zeiten, eine echtes Kinoerlebnis, in dem die Liebe als physikalische Kraft für mich als alten Romantiker kein Problem darstellt –, lohnt sich die Lektüre.
Christian Endres widmet sich dem Phänomen Guardians of the Galaxy, und damit dem wohl spaßigsten SF-Film der letzten Jahre.
Das von Hannes Riffel und Sascha Mamczak SF-Jahr 2015 von Golkonda ist ein hervorragendes Werk Sekundärliteratur, das einen guten Überblick zur Science Fiction des Jahres 2014 liefert und jedem zu empfehlen ist, der sich auch nur halbwegs für das Genre interessiert. Als Captain-Future-Übersetzer hat es mich natürlich besonders gefreut, dass auch ein fachkundiger Artikel von Hardy Kettlitz über die Anfänge der Space Opera enthalten ist. ;)
Michael K. Iwoleit liefert einen ausführlichen und kenntnisreichen Überblick über die deutschsprachigen SF-Kurzgeschichten des Jahres. Der Überblick zu den deutschsprachigen SF-Büchern von Udo Klotz ist mir aber etwas zu knapp ausgefallen. Von den dort erwähnten Romanen erhielt einzig Feldeváye von Dietmar Dath eine ausführliche Besprechung im Rezensionsteil. Bis auf zwei ältere Werke in Neuauflage (Stimmen der Nacht von Thomas Ziegler und Der grüne Komet von Herbert W. Franke) wurden ausschließlich Übersetzungen besprochen. Nicht einmal Tom Hillenbrands Drohnenland, das im vergangenen Jahr wohl die meiste Aufmerksamkeit in der SF-Szene erhalten hat, wird ausführlich besprochen. Ich bin ja selbst jemand, der nur wenig deutschsprachige SF liest, aber im deutschsprachigen »Science Fiction Jahr« erwarte ich dann doch eine ausführliche Besprechung des SF-Romans, der im Jahr 2014 auch über die Genre- und Fandomsgrenzen hinweg Wellen geschlagen hat (wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie das im SF-Jahr besprochene Der Circle von Dave Eggers) und den Kurd Laßwitz Preis als bester SF-Roman des Jahres erhalten hat.
So, jetzt ist doch noch etwas Kritik in diese eigentlich nur als Kurzkritik geplante Besprechung gelangt, was den Spaß und Erkenntnisgewinn aber nicht mindert, den ich mit dem SF-Jahr 2015 hatte. Das sind nur ein paar Wünsche, die ich für die nächsten Ausgaben hätte. Die obigen Gedanken sind mir auch erst jetzt während des Verfassens dieser Zeilen gekommen.
Ich habe jetzt nicht alle Beiträge des Buchs erwähnt, sondern vor allem jene, die mir am besten im Gedächtnis geblieben sind. Die nächste Ausgabe werde ich mir auf jeden Fall wieder zulegen. Für den relativ hohen Preis von 30 Euro habe ich definitiv ein interessantes und packendes Leseerlebnis erhalten. Und mit der tollen Gestaltung von s.BENeš macht sich dieser Ziegelstein auch gut im Regal.
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