Vor kurzem begeisterte Uwe Hermann mit seinen pointierten SF-Geschichten beim eBook Event der Brennenden Buchstaben und noch ganz frisch ist die Verkündung, dass er mit Das Internet der Dinge den diesjährigen Kurd Laßwitz Preis für die beste Kurzgeschichte gewann. Wir nutzen die Gelegenheit und stellten Uwe ein paar Fragen:
Fantasyguide:
Hallo Uwe, Du bist im Netz unter www.kurzegeschichten.com zu finden und grenzt Dich dadurch recht genial von all Deinen Namensvettern ab. Du bist ein Meister kurzer Geschichten und allein diesjahr dreimal für den KLP nominiert und hast ihn auch prompt ergattert. Warum sollte man Deine Geschichten lesen?
Uwe Hermann: Ja, über die KLP-Nominierungen freue ich mich riesig und inzwischen ist noch eine Nominierung des DSFP hinzugekommen. Vier Nominierungen! Ich kann es immer noch nicht glauben.
Man sollte meine Geschichten lesen, wenn man Humor mag. In fast allen meiner Storys kommt er vor. Manchmal schwarz oder als leiser Unterton, meistens aber lautstark. Der Humor ist mein Markenzeichen. Ich bin kein Freund von Tragödien oder deprimierenden Geschichten. Davon gibt es in der Welt mehr als genug. Man braucht ja nur mal einen Blick in die Medien zu werfen, um zu verstehen, was ich meine.
Fantasyguide: Gerade erst konnte ich Dich beim »eBook-Event der Brennenden Buchstaben« erleben und Du hast bereits vor der Lesung fröhlich mit dem Publikum rumgeflachst. Es war ja auch schon Deine dritte Lesung dort. Fühlst du Dich wohl in Second Life?
Uwe Hermann: Auf jeden Fall! Das liegt zum einen an Thorsten Küper, der genial lesen kann und jeden mit seiner Begeisterung für Second Life mitreißt, und zu anderen daran, dass es mir Spaß macht, den Zuhörern mit meinen Geschichten zu überraschen. Ich habe inzwischen sogar eine Story eigens für meine nächste Lesung geschrieben. Ich verrate hier schon mal den Titel: Das Geheimnis des Sahnetörtchens. Wenn alles klappt, werden wir diese Geschichte zu dritt lesen.
Fantasyguide: Einige Deiner Geschichten loten die Zukunft virtueller Welten aus. Von Second Life versprach man sich einst ja auch jede Menge und selbst so eine tolle VR-Welt wie in Tad WilliamsOtherland gibt es immer noch nicht. Was ist los damit? Ist unsere Fantasie Schuld an der Misere?
Uwe Hermann: Vielleicht sind wir zu ungeduldig. Jules Verne schrieb seinen Roman Von der Erde zum Mond schon 1865 und es dauerte trotzdem noch einhundert Jahre, bis der erste Mensch dort oben herumlief. Manche Dinge nehmen wir Autoren vorweg, andere, wie das Internet, haben auch uns überrascht. Frag mich doch noch einmal in einhundert Jahren, was ich von VR halte.
Fantasyguide: Etliche Autorinnen und Autoren kommen überhaupt nicht dazu, Werke von anderen zu lesen. Wie sieht es bei Dir aus? Bestimmt schaust Du doch wenigstens bei Uwe Post ab und zu mal vorbei?
Uwe Hermann: Aber sicher: Uwe Post, Karsten Kruschel, Andreas Brandhorst, Michael Marrak, Axel Kruse … Ich versuche schon, die Bücher meiner Kollegen zu lesen, leider schreiben manche zu schnell, als dass ich hinterherkäme. Der Stapel ungelesener Bücher auf meinem Nachtschrank wächst. Aber ich gebe mir Mühe, ihn abzubauen.
Fantasyguide: Apropos der andere Uwe – was macht der Animationsfilm zu »Das Internet der Dinge«?
Uwe Hermann: Vielleicht erzähle ich vorher, worum es in dem Film geht. »Das Internet der Dinge« ist eine Kurzgeschichte von mir, die Anfang letzten Jahres in Spektrum der Wissenschaft erschienen ist. Mittlerweile gewann die Story den KLP und ist für den DSFP nominiert. In der Geschichte geht es um intelligente Küchengeräte, die nach einem Lebensmittel-Notfall zusammenarbeiten, um ihren Besitzer zu retten. Ich hatte schon beim Schreiben die Idee, daraus ein Hörspiel zu machen. Als ich Uwe Post davon erzählte, meinte er spontan, dass wir dann auch gleich einen Animationsfilm im Stil eines bewegten Cartoons machen könnten. Also sprach ich mit einigen Autorinnen und Autoren und jeder sagte sofort zu. Uwe Post und ich haben uns vorgenommen, dass der Film dieses Jahr erscheint.
Fantasyguide: Das halbe Fandom bekam Sprechrollen, darunter etliche Lese-Profis. Wessen Schauspielkunst magst Du besonders?
Uwe Hermann: Die Sprecher sind alle genial! Man merkt, dass viele von ihnen schon etliche Lesungen hinter sich haben und das ihnen das Schlüpfen in fremde Rollen Spaß macht. Das Problem war auch nicht die Leistung der Sprecher, sondern deren Equipment. Uwe und ich haben ein Drehbuch erstellt und den Sprechern gemailt. So hatte jeder seinen Text, den er zuhause mit seinem Rechner oder Smartphone eingesprochen hat. Manche Stimmen klangen wie aus einem Tonstudio, andere waren verrauscht. Diese Qualität auf einen Nenner zu bringen, hat viel Zeit gekostet.
Fantasyguide: Bestimmt kommen Dir doch bei der Arbeit an den Film Ideen für weitere Projekte, oder?
Uwe Hermann: Sagen wir mal so, Uwe fragte mich, ob wir nicht ein eigenes Filmlabel bräuchten. Also besteht durchaus die Möglichkeit, dass wir in dieser Richtung weitermachen. Das hängt davon ab, wie der Film ankommt.
Fantasyguide: Wie sieht deine Technik aus, womit arbeitest Du an Sound und Grafik?
Uwe Hermann: Um die Animationen kümmert sich Uwe Post. Wenn er keine neuen Bücher über durchgeknallte Weltraumhelden oder Android schreibt, ist er Spieleentwickler und ein Profi der Animationssoftware Blender. Was er aus dieser Software herausholt, ist unglaublich! Ich kümmere mich um den Ton, also Sprecher, Musik und Geräusche. In den ersten vier Wochen habe ich Adobes Soundbooth benutzt. Nachdem ich etliche Stunden Arbeit in das Projekt gesteckt hatte, weigerte sich dann aber meine Originalsoftware, das Projektfile erneut zu öffnen (niemand konnte mir sagen, warum das so war). Also fing ich mit Audacity von vorne an. Jetzt bin ich gerade dabei, die Geräusche und die letzten Tonspuren einzufügen. Übrigens kommt die Titelmusik von meinem Bruder, einem klasse Musiker.
Fantasyguide: Kannst Du mit Deinen Programmierkenntnissen da etwas bewirken? So ein bisschen Assembler-Magie hier und dort, ein paar Register umbiegen?
Uwe Hermann: Diese Zeit ist lange vorbei. Wenn ich heute etwas programmiere, dann höchsten für meine Webseite. Und genaugenommen sind Html, Css und Javascript keine Programmiersprachen.
Fantasyguide: Neulich fragtest Du via Twitter, ob wir einen neuen Kurzgeschichtenband von Dir haben möchten. Was für eine Frage! Wann kommt er denn nun?
Uwe Hermann: Geschichten habe ich inzwischen genug, aber ich brauche für das Buch noch ein paar unveröffentlichte Storys. Es sollen ja nicht nur alte Geschichten enthalten sein. Wenn ich die habe, wird lektoriert, das Cover erstellt. Dann folgt der letzte Schliff …
Es dauert also noch etwas.
Fantasyguide: Humor ist Dein Markenzeichen. In den letzten Jahren ging der Trend aber eher in Richtung kaputter, problembeladener Protagonisten, die an sich und der Welt leiden. Was ist Dir an Deinen Figuren wichtig?
Uwe Hermann: Dass sie sympathisch sind und am Ende gewinnen oder zumindest mit einem blauen Auge davonkommen. Aber auch in meinen Geschichten mit den kaputten, problembeladenen Protagonisten (du spielst sicher auf Versuchsreihe 13 an) findest du meinen Humor. Dann aber etwas zurückhaltender. Im Moment arbeite ich, an einem humorvollen Weltraumabenteuer im Stil meiner Kurzgeschichten. Darin gibt es jede Menge zum Schmunzeln, aber ob und wann dieser Roman erscheint, steht in den Sternen.
Fantasyguide: Was würdest Du Deinen Figuren niemals zumuten? Hast Du thematische Grenzen in Deiner Art, Geschichten zu erzählen?
Uwe Hermann: Die einzige Grenze, die ich nicht überschreite, ist mein Geschmack. Wenn mir etwas nicht gefällt, schreibe ich es auch nicht. Die Leser sollen sich über meinen Geschichten freuen, nicht ärgern.
Fantasyguide: Du hast es geschafft, Deine Kurzgeschichten etwa beim »Spektrum der Wissenschaft« und der c’t unterzubringen und wirst bezahlt. Das ist für einen deutschen SF-Autor, der fast nur Kurzgeschichten schreibt, schon ein kleines Wunder. Oder gibt es handfestere Gründe? Trauen sich die anderen nur nicht, die Verlage anzuschreiben?
Uwe Hermann: Ich weiß von den Herausgebern, dass diese beiden Magazine sich über einen Mangel an Kurzgeschichten nicht beklagen können. Allerdings ist es schwierig, eine abgeschlossene Geschichte auf vier oder fünf Seiten zu erzählen. Und dann muss die Story ja auch noch zum Magazin passen.
Fantasyguide: Ganz spannend klang der Plot des Romans an dem Du gerade schreibst. Eine Art Cyber-Thriller in Berlin des Jahres 2069. Warum Berlin, warum ein Thriller mit einem problematischen Ehepaar?
Uwe Hermann: »Versuchsreihe 13 – Die Epidemie« spielt in Hamburg. Ich habe versucht, mich so genau wie möglich an real existierenden Straßen, Orten und Besonderheiten der Stadt zu halten. Das kam bei vielen Lesern gut an. Also habe ich das gleiche in meinem neuen Buch gemacht. Nur das diese Geschichte in Berlin spielt (Hamburg hatte ich ja schon zerstört).
Aber Userland – Berlin 2069 spielt nicht nur im realen Berlin, sondern auch in seinem virtuellen Gegenstück in der SPHÄRE. Außerdem kommen Einhörner darin vor. Und Roboter.
Fantasyguide: Im Interview mit Michael Schmidt vor zwei Jahren batest Du um mehr Rezensionen für euch freie Autorinnen und Autoren. Hat sich da etwas getan oder ist die Szene immer noch sehr arm an Feedback? Falls ja, wie erklärst Du Dir das?
Uwe Hermann: Leider nicht. Deshalb auch meine Frage über Twitter, ob überhaupt Interesse an einem neuen Kurzgeschichtenband besteht. Sieht man mal von BiomAlpha ab, habe ich für meine sämtlichen Bücher dieses Jahr nur eine einzige Rezension erhalten. Das könnte ruhig mehr werden.
Fantasyguide: Es wurde im SFN vermutet, dass SF-Autoren mehr für Film und Fernsehen schreiben müssten, weil dort das breite Publikum auf SF wartet. Dein Animationsfilm geht ja auch in diese Richtung. Passiert da schon etwas in Deutschland? Bei Dir selbst?
Uwe Hermann: Ich bin mir sicher, dass viele Autoren das auch gerne machen würden, aber für die Film- und Fernsehschaffenden in Deutschland hat der Begriff SF immer noch einen negativen Klang. Solche TV-Produktionen kosten viel Geld und bedeuten ein hohes Risiko. Denk nur an den Perry Rhodan-Film. Ich weiß nicht, wie lange schon darüber gesprochen wird und trotzdem traut sich keiner ihn zu machen. Außerdem schreiben selbst die großen Autoren der Branche auf ihren Bücher lieber Thriller oder schlicht Roman anstatt SF.
Fantasyguide: Kann man dich dieses Jahr noch irgendwo antreffen?
Uwe Hermann: Ich bin vom 21. bis 23. September auf dem 14. Elstercon »Ferne Welten« in Leipzig. Außerdem neben Uwe Post, Andreas Brandhorst, Peter Flessner und Kai Hirdt einer der Ehrengäste der Veranstaltung »Hinterm Mond – Tag der Science-Fiction-Literatur« am 6. Oktober in Leer.
Fantasyguide: Dann werden wir uns in Leipzig wahrscheinlich sehen! Gibt es noch Projekte in der Deiner Pipeline, die wir noch nicht angesprochen haben?
Uwe Hermann: Für noch mehr Projekte fehlt mir die Zeit. Ich habe ja noch eine Familie und bin glücklich verheiratet, auch wenn man das nach meinen manchmal frauenfeindlichen Protagonisten nicht vermuten sollte. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Schreiben ist für mich wie Urlaub, und von dem kann doch niemand genug bekommen, oder?
Fantasyguide: Vielen Dank für das Interview, herzlichen Glückwunsch für den KLP-Gewinn und Toi Toi Toi für den DSFP!