Wir nutzten diese arbeitsreiche Schaffensperiode zu einem ausführlichen Interview:
Fantasyguide: Hallo Holger, Du scheinst dieses Jahr richtig aufzudrehen: Arkland, Rettungskreuzer Ikarus und nun auch noch D9E - zweiter Frühling oder der ganz normale Lohn jahrtausendelanger Mühen?
Holger M. Pohl: Der 2. Frühling? Das ist mindestens schon der 3.! Ich in meinem Alter kann das sagen. Nein, Scherz beiseite. Ich betrachte es durchaus als Lohn für langes Durchhalten. Ob das Durchhalten heutzutage, in unserer schnelllebigen Zeit, noch normal ist, wage ich dann doch ein wenig in Zweifel zu ziehen. Für mich aber war und ist es normal. Es war immer mein Ehrgeiz ein richtiges Buch bei einem richtigen Verlag zu veröffentlichen. Dass das nun in kurzer Zeit bei drei verschiedenen Verlagen geklappt hat, war reiner Zufall. Und etwas stressig. Vielleicht ist daher auch erst der 1. Frühling.
Der 2. Frühling kommt dann mit den Folgebänden hier wie dort. Und ist möglicherweise sogar besser als der 1. Frühling.
Fantasyguide: Wie sieht jetzt eigentlich Dein Zeitmanagement aus? Schreibst Du wie Dirk van den Boom jeden Tag an drei Geschichten?
Holger M. Pohl: Mein Zeitmanagement ist sicherlich sehr verschieden von Dirks. Was unter anderem daran liegt, dass er sich seine Zeit berufsbedingt anders einteilen kann als ich. Daher arbeite ich auch nicht an drei Werken gleichzeitig und gleichberechtigt. Es ist vielmehr so, dass ich ein Hauptwerk habe, an dem ich arbeite - im Moment mein nächster »D9E«-Band, der 2016 erscheinen soll – und daneben verschiedene Werke, an denen etwas getan wird. In zwei Fällen tatsächlich am Text - aber nicht jeden Tag -, in zwei weiteren Fällen am Konzept. Sobald dann das Hauptwerk beendet ist, steigt eines der anderen auf. So zumindest ist der Plan – aber Pläne können sich bei Notwendigkeit ändern, wie Du sicher selbst weißt.
Fantasyguide: Oh ja!
Mit zwei fremden und einer eigenen Welt muss man ganz schön viele Informationen in den richtigen Fächern behalten. Wie machst Du das? Klappt es überhaupt oder verschwinden bald Flugscheiben auf Rettungsmissionen im Mengerschwamm?
Holger M. Pohl: Es ist nicht wirklich schwer, das auseinander zu halten. Zum einen liegt es daran, dass das eine meine ganz eigene Welt ist. Am »Arkland« schreibt kein anderer rum und dass die Flugscheiben ins »Arkland« gehören und nirgendwo sonst hin, werde ich nicht vergessen. Dort muss ich allenfalls mit mir selbst deckungsgleich sein.
Ähnlich ist es mit »D9E«. Im Grunde hat das Hondh-Universum auch sehr viel von einer eigenen Welt. Natürlich gibt es verschiedene Basics, an die man sich halten sollte. Im Großen und Ganzen klappt das auch recht gut.
Am einfachsten und zugleich am Schwierigsten ist es mit »Ikarus«. Die Welt ist mehr oder weniger fertig. Es gibt mittlerweile sechzig Bände dazu. Da kann man nicht so viel dazu erfinden. Im Gegenteil, ich muss immer wieder einmal bei <link>Irene Salzmann oder Dirk nachfragen, ob denn das nun so oder so, möglich oder unmöglich ist. Hinzu komm, dass ich mit fertigen Charakteren arbeiten muss. Da bleibt nicht viel Freiraum. Ich kann Sentenza nur minimal anders beschreiben als die anderen ihn beschreiben. Kurz gesagt: Bei »Ikarus« muss ich mir keine Gedanken über die Figuren machen – erspart Zeit und macht es einfach –, muss aber wissen, wie die anderen die einzelnen Hauptpersonen beschrieben haben – macht es schwierig und kostet Zeit.
Von daher: Schwer auseinander zu halten sind die drei unterschiedlichen Welten nicht. Aber natürlich ist es nützlich, sich eine Datensammlung zuzulegen, in der man bei Notwendigkeit nachschlagen kann. Wenn ich also den Begriff »Flugscheibe« in »D9E« oder »Ikarus« nicht finde … dann wird das einen Grund haben und ich sollte »Flugscheibe« auch nicht in »D9E« oder »Ikarus« verwenden.
Wobei, wenn ich es mir so recht überlege *grins*, hätte ein Crossover vielleicht doch einen gewissen Reiz.
Enroc könnte sich zum Beispiel mit Sentenza und Klime zusammen an Bord einer Flugscheibe namens Ikarus zu den Hondh aufmachen …
Fantasyguide: Mit Deinem Lektor für Fünf für die Freiheit, Merlin Thomas, konnte ich kürzlich über Dich lästern. Wie beurteilst Du eure Zusammenarbeit? Bist Du zufrieden oder brauchst Du mehr Härte, mehr Peitsche?
Holger M. Pohl: Im Großen und Ganzen empfand ich sie als zufriedenstellend und fruchtbar. Sagen wir es so: Ich denke, der Kompromiss, der am Ende herauskam, war und ist etwas, womit wir beide leben können. Vielleicht, nein wahrscheinlich hätte er mir gerne noch das eine oder andere gestrichen und dieses und jenes geändert, aber ob es dann noch mein Roman gewesen wäre?
Was die Sache für mich ein wenig schwierig gestaltete, war die Tatsache, dass ich zeitweise an drei Lektoraten gleichzeitig gearbeitet habe. Irene (Salzmann) hat »Ikarus« lektoriert, Thilo Corzilius »Arkland« und Merlin »D9E«. Alle drei haben unterschiedliche Herangehensweisen und Arbeitsweisen. Was die eine wollte, wollte der andere nicht. Was da richtig war, war da nicht ganz so richtig. Das war, wie gesagt, für mich nicht immer einfach zu handeln. Ab und zu kam dann ein wenig Frust auf … aber irgendwie ging es schon.
Und dass Merlin und ich doch zusammen können, zeigt sich darin, dass er auch meinen »D9E«-nächsten Band lektorieren wird. Vielleicht höre ich sogar auf ihn … wenigstens manchmal.
Fantasyguide: Ich hätte Dir zum Beispiel noch einige aufreizende Blicke gestrichen. Was hat es mit dieser expliziten Anmache von Delilah auf sich? Hast Du keine Angst davor, dass man Dich für einen Macho oder die Figurenkonstellation gar als sexistisch bezeichnet?
Holger M. Pohl: Ja, da war vielleicht der eine oder andere aufreizende Blick zu viel. Im nächsten Band wird es weniger davon geben.
Delilah ist genmanipulierte Loganerin. Diese Manipulationen sind zum einen körperlich, aber auch psychischer Natur. Wenn sie Klime anmacht, so geschieht das vielleicht aus dem Grund, weil es ein Stück weit ihrem Charakter entspricht. Und sie das ja durchaus auch als Mittel zum Zweck benutzt.
Und irgendwie, aufgrund ihrer Vergangenheit. ist sie ja auch ein verlorenes Wesen. Sie sucht. Vielleicht menschliche oder auch männliche Nähe. Nicht nur, aber auch. Im nächsten Band wird das ein wenig anders, aber doch noch zu erkennen sein. Hoffe ich zumindest.
Und ich ein Macho? Wer mich kennt, weiß, dass ich vieles bin, aber sicher kein Macho. Und wenn ich andere Konstellationen aus »D9E« lese – ich sage nur mal Manuel und Nola –, dann denke ich nicht, dass man das Verhältnis zwischen Klime und Delilah als sexistisch bezeichnen kann. Genau genommen haben sie ja noch gar keines.
Fantasyguide: Überhaupt legst Du sehr viel Wert darauf, alle Deine Figuren, bis auf Ganges vielleicht, ausführlich zu charakterisieren. Mir nahm das bei dem doch dünnen Roman zuviel Raum ein. Bug oder Feature?
Holger M. Pohl: Ganz sicher kein Bug. Ich versuche meinen wichtigen Figuren immer eine nachvollziehbare Charaktertiefe zu geben. Ich will ihre Motivation nicht nur einfach mal so nebenbei erwähnen, sondern sie soll auch zu den Figuren und ihrem Charakter passen.
Ich weiß, dass das die Gefahr mit sich bringt, dass es zu ausführlich wird oder zumindest so erscheint, aber ich kann und will eigentlich auch nicht darauf verzichten. Sicher kann ich hier und da noch feilen, mich vielleicht kürzer fassen. Daher also eher Feature.
Fantasyguide: Auch in Deinen anderen Werken herrscht ein entschleunigter Erzählton vor. Obwohl so recht epische Geschichten entstehen besteht doch die Gefahr, die LeserInnen zu langweilen oder gar einzuschläfern. Wie beugst Du dem vor?
Holger M. Pohl: Ja, diesen … sagen wir Vorwurf, kenne ich. Und sicher ist die Gefahr vorhanden, dass ein Leser der permanentes, actionreiches Vorwärtsrasen gewohnt ist, meine Art des Erzählens langweilig findet. Dieser Gefahr bin ich mir bewusst. Wenn man wie ich eben auch einen gewissen Wert auf die Tiefe der Figuren legt und nicht nur Handlung beschreibt, lässt es sich leider nicht immer vermeiden, dass der Erzählton langsamer ist, als der eine oder andere es sich wünscht.
Ich versuche in der Regel einen Mittelweg zu finden um dieser Gefahr vorzubeugen. Das gelingt manchmal mehr, manchmal weniger. DER Action-Schreiber bin ich sicher nicht. Es wäre einfach zu sagen, ich könnte, wenn ich wollte, aber so einfach ist das nicht.
Ich kann aber sagen – ohne zu viel für meinen nächsten »D9E«-Band zu verraten –, dass Im Schatten der Hondh sicherlich mehr an Action enthalten wird, als »Fünf für die Freiheit«. Der Boden für meine Figuren ist bereitet, die Saat ausgestreut, nun kann ich ernten. Ein Action-Roman wird es deshalb aber noch lange nicht werden.
Meine Geschichten und Figuren brauchen einen gewissen Raum um sich zu entfalten.
Möglicherweise beurteilst Du meinen aktuellen »D9E«-Band nach dem nächsten ein wenig anders.
Fantasyguide: Ich bin gespannt. Auf jeden Fall führt das mich direkt zur Frage nach Deiner Zielgruppe. Für wen schreibst Du und für wen nicht?
Holger M. Pohl: Einfach gesagt? Ich schreibe sicher nicht für den Action-Fetischisten. Wie ich schon sagte, brauchen meine Figuren Raum. Sie tun manchmal eben auch Dinge, die ihre Zeit brauchen. Atemloses Gehechel von einer Gefahrensituation in die nächste, von einem Abenteuer in das nächste wird man von mir eher nicht erwarten können. Das ist – einmal so gesagt – nicht mein Stil. Das können andere ganz sicher besser.
Und natürlich ist »Arkland« für ein anderes Zielpublikum gedacht als »D9E« oder »Ikarus«. Das eine ist Fantasy, das andere SF. Sicher gibt es Überschneidungen, aber die sind sehr überschaubar.
Ansonsten aber lässt es sich durchaus so sagen, dass ich eher für die Freunde epischer Geschichten schreibe als für diejenigen, die ein Faible für actionreiche Handlung haben. Was sicher ein Stück darin begründet liegt, dass ich solche Geschichten selbst bevorzuge. Und wohl auch darin gipfelt, dass ich mit Kurzgeschichten selten etwas anfangen kann und sie auch nicht schreiben kann. Ich bin nicht das Zielpublikum für Kurzgeschichten und Kurzgeschichten-Leser nicht unbedingt mein Zielpublikum.
Fantasyguide: Kann man sich das eigentlich aussuchen in diesem doch recht kleinem Segment, das die SF in Deutschland ja ist?
Holger M. Pohl: Ja, kann man. Solange man damit leben kann, dass man eben dann in der Reichweite beschränkt ist. Und am Ende auch im Erfolg, wenn der sich auf das kommerzielle Ergebnis bezieht. Erfolg hat viele Facetten. Leider wird aber kommerzieller Erfolg gerne als etwas Negatives dargestellt, doch das ist eine andere Geschichte.
Das Wichtigste ist für mich einfach, dass man sich darüber im Klaren sein muss, dass SF nicht die Segment-Größe hat wie Fantasy. Ob nun Der Herr der Ringe oder Harry Potter, beide haben mit dafür gesorgt, dass Fantasy auch die Leser erreichte, die bislang wenig oder nichts mit Fantasy am Hut hatten.
In der SF fehlt so etwas. Wir SF-Leser sind mit den Geschichten älter geworden. Wir erwarten heute mehr als das, was uns in unserer Jugend zur SF brachte. Was der SF in meinen Augen fehlt, ist die Nachwuchsarbeit. Und zwar die Nachwuchsarbeit bei der Leserschaft. Vieles, was erscheint ist gut oder sogar sehr gut. Aber oft in erster Linie etwas für jene, die bereits SF-Fan sind.
Insofern also noch einmal: Ja, man kann es sich aussuchen. Doch man muss sich darüber im Klaren sein: Je enger ich meine Kriterien anlege, für wen ich schreibe, desto kleiner wird der Kreis des potentiellen Zielpublikums. Oder wie Stephen W. Hawking in seinen Anmerkungen zu Eine kurze Geschichte der Zeit schrieb:
»Jede mathematische Formel halbiert die Verkaufszahl eines Buches!«
Fantasyguide: Du verwendest mit Shelwin Klime eine Figur von Dirk und hast mir auch schon verraten, dass Du noch weitere Verknüpfungen zu anderen »D9E«-Romanen planst. Was davon kannst Du schon offiziell verkünden und warum ist es Dir so wichtig?
Holger M. Pohl: Offiziell verkünden kann ich noch nicht sehr viel. Doch wie schon in »Fünf für die Freiheit« kleine Verknüpfungen vorkommen, werde ich das in »Im Schatten der Hondh« versuchen noch etwas zu verstärken. Ob und wie mir das gelingt … wir werden sehen. Nur so viel: es wird etwas aus Niklas Romanen vorkommen und ich habe vor auch etwas aus Nadines Roman einzubauen.
Wichtig ist es mir deswegen, weil immer wieder einmal irgendwo gesagt wird, dass den Romanen untereinander die Verzahnung fehlt. Das sehe ich auch ein wenig so. Natürlich schreiben wir unseren eigenen Geschichten und wir haben auch keine Redaktion oder ein vorgegebenes Exposé, das uns etwas vorschreibt. Dennoch denke ich, dass ein wenig mehr Verzahnung dem Leser hilft, das Gesamtbild der Geschichte im Auge zu behalten. Allerdings soll und wird das nicht eine Maxime werden. Darin sind wir uns einig.
Daher kam ich aber seinerzeit, als ich in meiner »Bewerbungsphase« fürs Autorenteam eine Idee einreichen sollte, der Gedanke einen von Dirks alten Helden zu einer meiner Hauptfiguren zu machen. Darüber hinaus habe ich auch eine Matthias-Idee in meinen Roman aufgenommen. Vielleicht erkennt das ja jemand – hoffe ich mal. Als kleiner Tipp nur so viel: An Bord des Tributschiffes beobachten die Fünf eine Art Aufmarsch. Da taucht etwas auf.
Fantasyguide: Was uns auch zur Zusammenarbeiten mit den anderen Beteiligten führt. Stehst Du mit den anderen im Kontakt? Welche Bände hast Du gelesen?
Holger M. Pohl: In Kontakt stehen wir durchaus, etwa in unserem Forum bei Scifinet oder wir sehen uns auf Cons. Nicht immer alle zusammen, aber sicher immer wieder die eine oder der andere. Es findet auch ein gewisser Austausch statt, doch der hält sich naturgemäß in Grenzen, weil – siehe oben – wir keine Redaktion und kein Exposé haben. Es existiert eine grobe Zeitlinie, das ist aber auch schon alles. Ohne jetzt aber zu viel verraten zu wollen.
Hilfreich ist es aber sicher die Bände der anderen zu kennen. Um eben vielleicht das eine oder andere Pünktchen zu finden, das man in den eigenen Roman einbauen kann. Daher: Ich habe alle Romane der anderen gelesen.
Und kann zumindest verraten, dass wir gerade an etwas arbeiten, was vielleicht den Einstieg für neue Leser ein wenig erleichtert, aber auch für den Leser, der von Anfang an dabei ist, das eine oder andere ein wenig anschaulicher verdeutlicht; den einen oder anderen Zusammenhang klarer herausstellt.
Fantasyguide: Gibt es etwas an »D9E«, das Dir eher missfällt? Welche Stärken siehst Du in der Serie?
Holger M. Pohl: Den ersten Teil Deiner Frage zu beantworten, fällt mir als daran Beteiligter ein wenig schwer. Nicht, weil es möglicherweise nichts gäbe, sondern weil ich das eher für Interna halte. Ich möchte hier und jetzt nicht darüber schwadronieren, ob und was mir möglicherweise missfällt. Das sollten wir unter uns Autorinnen und Autoren ausmachen. So es denn etwas gibt. Ich kann aber auf alle Fälle wenigstens das sagen: An der Verzahnung müssen wir noch ein wenig arbeiten, was nun aber nicht heißen soll, dass die Romane der Einzelnen voneinander abhängig werden müssen. Es ist eine Reihe, keine Fortsetzungsserie.
Die Stärken der Reihe liegen aber genau darin: Wir sind ziemlich unabhängig voneinander. Jeder kann und darf seine eigene Geschichte innerhalb des großen Ganzen verfassen.
Fantasyguide: In welche Höhen möchtest Du die Serie treiben?
Holger M. Pohl: Natürlich soll »D9E« DIE deutsche SF-Reihe werden, was denkst Du denn? Wenn man in 1000 Jahren nach SF aus Deutschland fragt, dann muss es heißen: »Perry who? Ich kenne nur D9E!«
Nein, Scherz beiseite. Natürlich wünsche ich mir einen höheren Bekanntheitsgrad der Reihe und eine offensichtlichere Präsenz im Bewusstsein der Leser, aber das lässt sich leider – oder vielleicht doch glücklicherweise – nicht erzwingen. Aber wenn »D9E« sich als Reihe etabliert, die Leser sie als regelmäßigen Bestandteil ihres Lesestoffes akzeptieren, eine feste und solide Fan-Basis geschaffen werden kann … ich denke, dann haben wir schon viel erreicht.
Leider ist es einem Verlag wie dem Wurdack Verlag nicht möglich mit einem riesigen Werbebudget um sich zu werfen. Daher …
Ich umschreibe es einmal sportlich: Wir sind nicht Bayern München und nicht der VFL Wolfsburg. Vielleicht schaffen wir nicht die Champions League. Aber wir wollen uns in der Liga gesichert etablieren.
Fantasyguide: Von »Der neunten Expansion« sollte auch ein positiver Sog für die deutschsprachige SF ausgehen. Wie beurteilst Du die Wirkung und Bedeutung der Serie?
Holger M. Pohl: Ich war nicht von Anfang an dabei, daher kann ich jetzt nicht sagen, ob das tatsächlich so formuliert wurde. Doch vorausgesetzt dass, dann denke ich, dass der Sog nicht zu verspüren ist. Oder noch nicht.
Deutschsprachige SF hatte es schon immer schwer (siehe auch nächste Frage). Ob eine Reihe wie »D9E« das entscheidend verbessern kann, weiß ich nicht. Ich denke aber auch, dass wir etwas versuchen, was ein wenig außerhalb der etablierten Reihen oder Serien ist. Unsere Freiheit ist nahezu grenzenlos. Wir haben keinen Exposé-Redeakteur, der uns etwas vorschreibt. Das ist Fluch und Segen zugleich. Segen deswegen, weil jeder schreiben kann, was er möchte (solange es in die große Story Line passt). Fluch deswegen, weil jeder schreiben kann, was er möchte (und damit seltsamen Auswüchsen oder Widersprüchlichkeiten Tür und Tor geöffnet sind).
Die Wirkung lässt sicher noch auf sich warten. Die Bedeutung der Reihe würde ich durchaus als nicht völlig unbedeutend bezeichnen. Immerhin entstand die Reihe auch aus dem, was sich bei Scifinet dazu an Diskussion entwickelt hat. Wir können es aber nicht allen Recht machen, denn das ist bekanntermaßen »eine Kunst, die niemand kann«.
Ich muss aber auch gestehen, dass ich in beiden Punkten natürlich sehr befangen bin. Wir werden aber das uns Mögliche tun, damit es eine Reihe wird, die verschiedene Interessen berücksichtigt und abdeckt. Daher ist es in meinen Augen auch ganz gut, dass wir unterschiedliche Charaktere sind und jeder von uns, ob Nadine, Dirk, Niklas, Matthias oder ich, seinen eigenen Stil hat. Meiner ist sicher epischer als der von Dirk, aber ich bin sicher auch nicht techniklastig.
Fantasyguide: Mir kommt es so vor, als ob die LeserInnen sich von deutschsprachiger SF abgewendet hätten und lieber ihren Stoff bei englischsprachigen Verlagen suchten. Kannst Du diesen Eindruck bestätigen? Siehst Du andere Tendenzen?
Holger M. Pohl: Die Frage, die sich mir da zunächst einmal stellt: Hatte es die deutschsprachige SF im internationalen Vergleich denn je einfach? Hatte sie denn jemals wirklich so viel Zuwendung, wie Deine Frage das impliziert?
Ich bin mit unserem Mann im All, Perry Rhodan, groß geworden. Wenn ich mich aber damals nach etwas anderem aus deutschen Landen umschaute, dann war da … sagen wir so, es war ödes, unbebautes Land. Nur hier und dort gab es ein einsames Gehöft.
Das hat sich im Laufe der Zeit ein wenig geändert, aber nicht so sehr, als dass ich unterschreiben würde, dass deutschsprachige SF zu einer Mega-City innerhalb der SF-Welt geworden ist.
Und – ich weiß, dass ich damit nun manchen auf die Füße trete –, sie hat manchmal zu hohe Ansprüche in Richtung angesehener Literatur. Das zeigt sich – nicht nur, aber auch – daran, dass manche Werke, die das Label SF verdienen würden, ganz einfach nicht als SF ausgegeben werden. Als ob man sich dafür schämt, SF zu schreiben.
Der »einfache« Leser hat es da eben bei ausländischen Verlagen einfacher. Die scheinen mit dem Begriff »Science Fiction« weit weniger Berührungsängste zu haben. Ebenso wie die Autoren.
Andreas Eschbach beispielsweise hat in den vergangenen Jahren viel SF geschrieben – nur steht da nirgendwo SF drauf. Ebenso Frank Schätzing. Oder … oder … oder. In der Regel steht irgendwo »Roman« … aber nicht »SF-Roman«.
Vielleicht ist es also nicht so, dass die LeserInnen sich von der deutschsprachigen SF abgewendet haben, sondern eher die Verlage und Autoren. Deutschsprachige SF gibt es, aber sie versteckt sich zu gerne hinter dem Allerweltswort »Roman«. Verkauft sich wahrscheinlich besser. Wer deutschsprachige SF lesen will, der muss sich bei Kleinverlagen umschauen. Da ist sie sehr lebendig. Aber welcher Laufkundschaftsleser tut das schon?
Klingt das jetzt nach Kolumne? Nun ja, manchmal kann man nicht aus seiner Haut.
Fantasyguide: Apropos: In Deinen Kolumnen verteilst Du gern und deutlich Hiebe. Wie dick ist Dein eigenes Fell?
Holger M. Pohl: Dick genug, würde ich sagen. Ja, natürlich gibt es Dinge, die mich auf die Palme bringen. Oder mich einfach ärgern. Aber das hält sich sehr in Grenzen, hat aber nun nichts mit Gleichgültigkeit oder Abgestumpftheit zu tun, sondern vielleicht mehr mit der Ruhe des Alters. Ich kann Hiebe einstecken und wegstecken. Das ist aber eine grundsätzliche Einstellung, die man als Autor haben sollte. Wer sich an das Leselicht der Öffentlichkeit wagt, der muss einfach damit rechnen, dass er ein Feedback bekommt, das ihm so ganz und gar nicht gefällt. Wer da kein einigermaßen dickes Fell entwickelt, der sollte sich ein anderes Hobby oder einen anderen Beruf suchen.
Im Grunde ist es ja auch so: Würde mich das Thema nicht beschäftigen, dann würde ich auch keine Kolumne darüber schreiben. Ich habe die Freiheit diese Kolumnen zu verfassen wie ich will und worüber ich will. Wenn also eine erscheint, dann hat mich die Sache beschäftigt oder beschäftigt mich noch. Über für mich Belangloses schreibe ich keine Kolumnen.
Was ich aber in keiner Form leiden kann, ist die Art und Weise wie manche ein sehr … persönliches Feedback geben. Für mich ein Zeitpunkt mir einfach meine amüsierten Gedanken zu machen und öffentlich zu schweigen.
Fantasyguide: Wird Dein Kampf gegen schlechte Bücher und unseriöse Verlage jemals enden?
Holger M. Pohl: Ja, aber der Tag liegt hoffentlich noch in ferner Zukunft. Etwa in Jahrtausenden.
Ernsthaft: Solange es DKZV gibt und ich die Tasten noch betätigen kann, eher nicht. Zum einen ist es mir einfach – und deutlich – gesagt zuwider, wenn Verlage dadurch an den Autorinnen und Autoren verdienen, dass sie ihr Geld nehmen. Und was schlechte Bücher angeht: Ja, sicher, es gibt auch bei seriösen Verlagen schlechte Bücher, aber das Veröffentlichen für jeden ist so einfach geworden, dass ein Schwemme von wirklich miesen selbstverlegten Büchern den Markt überschwemmt. Die guten SP oder Indies gehen darin einfach unter. Ich lese mir regelmäßig Leseproben durch, wenn eine Autorin oder ein Autor mal wieder in eine Forum oder eine FB-Gruppe einfällt und Werbung für sein Meisterwerk macht.
Ich kann an zwei Händen abzählen, welche interessanten Bücher dabei waren. Ich bräuchte aber wahrscheinlich alle Hände der Menschheit seit Anbeginn der Zeit, um die miesen Bücher zu zählen.
Gegen beides, also unseriöse Verlage und gegen diese schlechten Bücher (insbesondere aus der Phantastik, die mir nun einmal am Herzen liegt) werde ich kämpfen. Bis auf weiteres und ein Ende ist nicht in Sicht.
Fantasyguide: Können wir uns schon auf eine neue Kolumne freuen, worum wird es gehen?
Holger M. Pohl: In letzter Zeit sind ein paar Dinge leider zu kurz gekommen. Dazu gehören unter anderem meine Kolumnen. Schreiben (von Büchern) ist entgegen landläufiger Meinung doch mit Arbeit verbunden und nicht ausschließlich Vergnügen. Und die Arbeit wird noch einmal mehr, wenn der Lektor anfängt das Werk zu zerpflücken.
Da ich nun aber wieder etwas mehr Zeit habe, weil ich nicht drei Dinge auf einmal machen muss (»Arkland«, »D9E« und »Ikarus« kamen etwa zur gleichen Zeit – da blieb nicht viel Zeit für anderes und neues), will ich wieder regelmäßig Kolumnen schreiben. Ziel ist so mindestens und spätestens alle zwei Monate eine. Traumziel ist eine pro Monat. Themen – oder Input – gibt es zuhauf!
Meine nächste Kolumne soll daher noch im September kommen. Was das Thema betrifft schwanke ich zwischen Rezensionen und Kurzgeschichten. Wobei die obige Frage zur deutschsprachigen SF mich auch auf eine Idee brachte. Lassen wir uns einfach überraschen.
Fantasyguide: Wann und wie geht es mit »Arkland« weiter? Der zweite Band ist ja schon eine Weile fertig, soweit ich weiß. Wie viele Bände hast Du geplant?
Holger M. Pohl: Stand heute (September 2015) ist angedacht den 2. Band ARKLAND – Wanderungen im Heute zum BuCon 2016 herauszubringen. Es wäre schön gewesen, ihn wieder in Leipzig zu präsentieren, aber da bin ich nächstes Jahr in Mittelerde … ich meine Neuseeland.
Die Geschichte geht natürlich weiter. Sorrent und Enroc werden weitere Fragen beantwortet bekommen. Aber wie so oft führen Antworten zu neuen Fragen. Das eine oder andere Geheimnis wird natürlich gelüftet und die Geschichte läuft langsam aufs Finale hin. Im 3. und abschließenden Band dieser Trilogie. Am Stil wird sich wenig bis nichts ändern. »Arkland« ist nun mal nicht als actiongeladenes Werk konzipiert. War es nie und wird es auch nicht werden.
Wie es danach mit »Arkland« weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Grundsätzlich habe ich Ideen für 10 Bücher (inklusive der Trilogie), aber ob die restlichen 7 je geschrieben werden, das steht noch in den Sternen. Ich kann nur sagen, dass diese weiteren Werke nur sehr, sehr wenig mit der Trilogie zu tun haben. Die erzählt eine Geschichte und wird mit Abschluss des 3. Bandes beendet sein. Es wird keine Fortsetzung geben. Es bleiben dann sicher noch Geheimnisse offen, dazu sind das »Arkland« und seine Geschichte zu groß, aber es werden keine Geheimnisse sein, die für die Trilogie eine entscheidende Rolle spielen.
Fantasyguide: Gerade Fantasy lebt ja auch von seinen Bildern. Wie gefällt Dir Das Cover zum ersten »Arkland«-Band von Timo Kümmel? Konntest Du Dir das Motiv aussuchen?
Holger M. Pohl: Das Cover ist großartig geworden! Und ja, ich konnte mir das Motiv aussuchen. Ich konnte Torsten ein paar Vorschläge machen und einen davon hat Timo dann umgesetzt. Der erste Entwurf sah schon sehr gut aus und ist nach kleinen Änderungen zum dem tollen Cover geworden, das es heute ist. Mein Dank an dieser Stelle noch einmal an Timo!
Fantasyguide: Was hältst Du von Illustrationen zu Deinen Texten - Einengung der Fantasy oder Bereicherung?
Holger M. Pohl: Grundsätzlich stehe ich Illustration durchaus positiv gegenüber. Wenn sie zum Werk passen, sind sie immer eine Bereicherung. Einengen lasse ich mich dadurch nicht. Ich sehe sie als Interpretation des Werks des schreibenden Künstlers durch ein Werk eines Vertreters der Bildenden Künste. Er hat möglicherweise eine andere Sicht als ich, doch das ist legitim. Im Grunde könnte man auch sagen, es sind zwei Sichtweisen derselben Geschichte. Manchmal sind sie sich sehr ähnlich, manchmal gar nicht.
Ich selbst kann nur dann etwas zu Papier bringen, wenn ich dazu ein Lineal benutzen darf. Diese künstlerische Ader geht mir völlig ab. Natürlich habe ich Bilder zu meinen Werken im Kopf, doch nicht eines davon könnte ich so umsetzen, dass jemand erkennen würde, was es sein soll.
Fantasyguide: Kommen wir zu Deinen weiteren Plänen. Wirst Du weitere »Rettungskreuzer Ikarus«-Bände schreiben?
Holger M. Pohl: Ich arbeite gerade an einem weiteren Band. Genau genommen werden es wieder drei Bände, aber keine Trilogie mehr. Kritikpunkte an meiner erschienenen Trilogie war unter anderem, dass zum einen der Mittelband die Schwächen vieler Mittelbände aufweist, nämlich eben genau das zu sein: der mittlere Teil. Die Geschichte soll vorwärts gehen, aber doch nicht zu viel. Zum anderen wurde kritisiert, dass die Geschichte auch kürzer hätte erzählt werden können.
Beidem will ich Rechnung tragen. »Ikarus« ist nicht mein alleiniges Werk, anders als »Arkland«. Bei »Ikarus« schreibe ich »nur« mit und muss und will daher das Gesamte berücksichtigen. Das Konzept des Gesamten ist ein völlig anderes.
Daher werden die nächsten Bände anders sein. Einzelne Geschichten, die sich am Ende des Bandes erledigt haben. Es wird nur einen roten Faden geben, der sich durch die Bände zieht. Das große Ganze, die übergeordnete Geschichte. Auch sie schreitet voran, ist aber nicht der zentrale Punkt des jeweiligen Bandes. Diese Geschichte stellt quasi das Fundament dar, auf dem die Gebäude der anderen Geschichten gebaut werden.
Fantasyguide: Kannst Du Deinen Darkener-Fans etwas ausrichten oder allen, die auf einen Artikel über Thomas Covenant hoffen?
Holger M. Pohl: Hier gilt ähnliches wie für die Kolumnen: Leider, leider kam das sehr zu kurz. In der Endphase des »Arkland«-Lektorats arbeitete ich zeitgleich am »D9E«-Lektorat sowie am 1. Band der »Ikarus«-Trilogie. Wenn man dann noch überlegt, dass da auch noch der schnöde Mammonjob sein Recht verlangt (und auch ziemlich Zeit- und Arbeitsintensiv ist) sowie natürlich auch das Privatleben nicht allzu kurz soll, dann kann man sich vorstellen, dass irgendetwas liegen bleiben musste.
In dem Fall waren das »Darkener« und die Arbeiten am Covenant-Artikel. Ich kann aber zumindest Hoffnung machen, dass es an beidem wieder voran geht, werde mich aber im Augenblick noch hüten eine zeitliche Aussage zu machen, wann was erscheinen wird. Vergessen ist aber beides nicht.
Fantasyguide: Was kommt als nächstes? »Perry Rhodan«? Oder reizt Dich etwas ganz anderes, ein Lyrikbändchen oder eine Vampir-Romanze?
Holger M. Pohl: Was als nächstes kommt? Nein, »Perry Rhodan« sicher nicht. Dazu bin ich mittlerweile schon lange von der Geschichte unseres Mannes im All weg. Natürlich ist er der Held meiner Jugend, er hat mich mit zur SF gebracht. Doch die heutigen Zyklen sind ganz und gar nicht mehr mein Geschmack. Zu vieles hat sich verändert, leider nicht zum Vorteil. Ich befürchte, Perry wird irgendwann in den Tiefen des Alls verschwinden und keiner wird es merken.
Lyrik schreibe ich zwar hin und wieder zum Zeitvertreib, aber ob es für ein Lyrik-Bändchen reichen würde, wage ich dann doch zu bezweifeln. Also auch hier: Nein!
Und dreimal »Nein» zur Vampir-Romanze. Davon gibt es schon genug und ich denke nicht, dass die Welt auf eine aus meiner Feder wartet. Abgesehen davon, dass ich mich frage, welche Vampire Romanzen haben. Die lechzen doch nur nach Blut, oder?
Aber natürlich gibt es Pläne, Vorhaben, Projekte. Momentan arbeite ich an meinem nächsten »D9E«-Band »Im Schatten der Hondh«. Das ist das Hauptwerk. Sobald das Ende September ins Lektorat geht, wird eines der Seitenwerke befördert. Momentan habe ich da zwei zur Auswahl, die in kleinen Stücken nebenher entstehen. Entweder Winterwelt – Eiskalt, ein SF-Roman, oder endlich Die Leiden des jungen Verlegers, eine Fantasy-Satire über die Welt der Verlage und Autoren. Hat aber selbstverständlich absolut nichts mit der Realität zu tun, glaube ich. Ist ja Fantasy und spielt auf dem fiktiven Kontinent Mittelbuchland.
Darüber hinaus will ich wieder mehr Kolumnen schreiben, bei »Darkener« soll es weitergehen (wobei ich für den auch einen Roman im Kopf habe), der Covenant-Artikel soll endlich auf die Zielgerade einbiegen und die neuen »Ikarus«-Bände wollen geschrieben werden. Also genug zu tun. Mir wird sicher nicht langweilig werden.
Fantasyguide: Dann wünschen wir Dir gigantischen Erfolg und ausreichend Zeit zum Schreiben! Vielen Dank für das Interview!