Interview mit Ralph Tegtmeier
 
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Interview mit Ralph Tegtmeier – dem deutschen Übersetzer der Piers Anthony Romane:

Das Gespräch führte Ralf Steinberg

 

FantasyGuide: Hallo Herr Tegtmeier und herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft uns dieses Interview zu geben. Bitte stellen Sie sich doch kurz unseren Lesern vor, was macht Ralph Tegtmeier und was sollte man über ihn wissen?

 

Ralph Tegtmeier: Vielleicht nur soviel, daß ich ans Übersetzen mehr oder weniger von allein gekommen bin, da ich in Afrika und Asien mehrsprachig aufwuchs, wo mein Vater als Diplomat tätig war. Als ich dann später mein Geld selbst verdienen durfte, entdeckte ich irgendwann diese Ressource - und daraus wurde schließlich ein richtiger, ernstzunehmender Beruf. Auch in meiner Studienzeit habe ich mich vor allem dem Englischen und der Literatur gewidmet, was sicher keine schlechte Grundlage für eine derartige Tätigkeit bildete.

Heute übersetze ich allerdings nur noch sehr selten, da ich in anderen Bereichen tätig bin (Softwareentwicklung, Suchmaschinenoptimierung und Internet-Marketing), was meine volle Aufmerksamkeit beansprucht - und auch um einiges besser bezahlt wird.

 

 

FantasyGuide: Sie waren der Übersetzer des amerikanischen Autors Piers Anthony. Ist die Übersetzung seiner Werke eine spezielle Herausforderung gewesen?

 

Ralph Tegtmeier: Prinzipiell eigentlich nicht - seine Prosa ist ja eher schlicht strukturiert, was der Lesbarkeit natürlich entgegenkommt. Nicht, daß solche Texte unbedingt trivial zu übersetzen wären, denn im Deutschen kommt so manches, was im Englischen sehr leichtfüßig wirkt, schnell um einiges umständlicher rüber, wenn man nicht höllisch aufpaßt. Aber für einen erfahrenen Übersetzer sollte das kein großer Akt sein.

 

 

FantasyGuide: Wie schwierig ist es, speziellen Wortwitz, wie ihn Piers Anthony gerne und häufig verwendet, adäquat ins Deutsche zu übertragen?

 

Ralph Tegtmeier: Schwierig bis unmöglich: Das Englische und das Deutsche mögen zwar eng miteinander verwandt sein, aber Kalauer bleiben nunmal Kalauer und lassen sich in den seltensten Fällen adäquat in der Zielsprache wiedergeben.

Da hat man dann als Übersetzer die Wahl, ob man schlichtweg kürzt oder sich darum bemüht, im Deutschen etwas Ähnliches, Vergleichbares zu finden. Das ist dann zwar eher eine Art Nachdichtung und keine "richtige" Übersetzung mehr, aber solange man es damit nicht übertreibt und dem Leser wenigstens die Atmosphäre des Originals vermittelt, halte ich das bei Unterhaltungsliteratur durchaus für legitim.

Allerdings gelingt das auch nicht immer, da bleibt dann das Original leider auf der Strecke.

 

 

FantasyGuide: Der Xanth Roman Wechsel-Wind wurde von Dr. Dietmar Schmidt übersetzt. Er bediente sich eher Fußnoten oder sogar neuer Dialoge um englische Begriffe zu erklären. Warum bevorzugten Sie die direkte Eindeutschung?

 

Ralph Tegtmeier: Da hat erstens jeder Übersetzer seinen eigenen Stil. Und zweitens hat das Lektorat auch ein Wort mitzureden. Schließlich sollen die Bücher ja nicht nur adäquat übertragen werden, sie sollen sich im Deutschen auch gut lesen und natürlich auch verkaufen. Zu meiner Zeit wären Fußnoten wohl kaum vom Lektorat des Verlags akzeptiert worden - auch in diesem Punkt kann sich manches im Laufe der Zeit ändern.

Das gilt auch für den Autor selbst: Piers Anthony hatte seine Xanth-Reihe ja ursprünglich als Trilogie konzipiert - später witzelte dann die Branche, daß "Trilogie" bei ihm offenbar "dreimal drei Bände" heißt, aber auch diese Marke hat er dann ja merklich überschritten ...

 

Ich habe ja selbst Literaturwissenschaft studiert und würde persönlich, was Fußnoten angeht, bei Vertretern der sogenannten Hochliteratur wohl ganz ähnlich verfahren - bei Joyce etwa, oder bei Powys. Da darf ich dann auch ein mit akademischen Gepflogenheiten vertrauteres Publikum erwarten,

das dergleichen nicht nur akzeptiert sondern sogar ausdrücklich verlangt. Das wäre mir bei Piers Anthony freilich wie ein Overkill vorgekommen, denn ihm geht es doch in erster Linie um gute Unterhaltung, was er ja auch sehr erfolgreich leistet.

 

Aber damit hier keine Mißverständnisse entstehen: Es liegt mir fern, meinen Nachfolger in diesem Punkt zu kritisieren - weder mache ich meine eigene Einschätzung zum Maß aller Dinge, noch kenne ich die Überlegungen, die ihn dazu bewogen haben. Als Profi wird er gute Gründe dafür gehabt haben, und das sollte man auch respektieren.

 

 

FantasyGuide: Gerade langjährige Serien stellen große Herausforderungen an die Begriffskontinuität. Einige Fans bemängeln zum Beispiel die Verwendung neuer deutscher Wörter für Begriffe die in den Vorbänden bereits mit anderen Wörtern übersetzt wurden. Sehen Sie da ein Fehler im Lektorat, oder bestimmt der Herausgeber über die Verwendung serientypischer Begriffe?

 

Ralph Tegtmeier: Ja, das ist eine leidige Sache, an der ich selbst nicht ganz unschuldig war, wenn auch nicht schuldhaft. Als ich die Übersetzung der Reihe aufgab, um mich anderen Tätigkeiten zu widmen, bat mich das Lektorat um eine Liste der verwendeten Begriffe und Neuschöpfungen. Leider war ich damals aber auch gerade am Umziehen, und kurz danach erlitt meine alte Behausung einen massiven Wasserschaden, bei dem auch sehr viele meiner noch nicht ins neue Haus transportierten Unterlagen restlos vernichtet wurden. Somit konnte ich die gewünschte Übersicht leider nicht anliefern, was meinem Nachfolger die Arbeit sicher nicht leichter gemacht hat.

Fehler im Lektorat? Man könnte es vielleicht so sehen, aber da bin ich doch anderer Meinung: Es waren inzwischen immerhin 17 Bände übersetzt, und um diese Liste zu rekonstruieren, hätte man Monate gebraucht. Schließlich müßten dafür auch noch die Originale erneut besorgt und mit der Endfassung verglichen werden.

Das hätte man sicher tun können, aber dann hätte wahrscheinlich jeder Folgeband gut und gern das Dreifache kosten müssen - ich glaube nicht, daß den Lesern damit gedient gewesen wäre. Schließlich haben wir es hier ja mit eine Taschenbuchreihe zu tun, bei der die Kostenkalkulation einen ganz wesentlichen Produktionsfaktor darstellt. Und die Kosten für einen derartigen Abgleich hätten vermutlich weit jenseits der Gewinnspanne gelegen. Aber das kann Ihnen im Detail eigentlich nur der Verlag selbst erläutern, da dieser allein für die Kalkulation verantwortlich zeichnet.

 

 

FantasyGuide: Ist es von Vorteil, Stammübersetzer eines Autors zu sein und warum kam es zum Wechsel bei Xanth?

 

Ralph Tegtmeier: Der Vorteil ist zweifellos der, daß man sich nicht bei jedem neuen Werk voll in die Welt des Autors einarbeiten muß. So erscheinen die Übersetzungen dem Leser dann auch eher als aus einem Guß, wobei man natürlich die Rolle des Lektorats nicht unterschätzen darf: Auch hier wird oft noch eingegriffen und geglättet, und das ist auch gut so, denn kein Übersetzer ist perfekt, und ein guter Lektor kann noch so manches glattbügeln, was sonst im Eifer des Gefechts vielleicht übersehen würde.

Zum Wechsel kam es auf meinen ausdrücklichen Wunsch: Ich wollte mich endlich anderen Arbeitsbereichen widmen und hatte einfach nicht mehr die Zeit, jedes Jahr einen 5-600-Seiten-Text abzuliefern.

 

 

FantasyGuide: Piers Anthony gab in unserem Interview an, seinen deutschen Übersetzer nicht zu kennen. Ist man als Übersetzer daran gewöhnt, stört es Sie?

 

Ralph Tegtmeier: Das ist ganz normal und stört eigentlich nicht. Weltautoren wie Günter Grass halten zwar regelmäßig Konferenzen mit ihren Übersetzern ab, und das finde ich eine wirklich gute Idee, aber im allgemeinen ist das doch die Ausnahme.

 

 

FantasyGuide: Würden Sie eine direkte Zusammenarbeit mit dem Autor gut finden, oder wäre das eher ein Eingriff in Ihre Kompetenz als Übersetzer?

 

Ralph Tegtmeier: Sicher ist es immer dann sinnvoll, wenn sich ein Autor sehr schwer verständlich ausdrückt oder ungeklärte Mehrdeutigkeiten vorliegen, aber das ist bei Piers Anthony nie der Fall gewesen. Mit Kompetenz-Gerangel hat dies in der Regel allein schon deswegen so gut wie nie etwas zu tun, weil die meisten Autoren ja von der jeweiligen Zielsprache nichts oder nur sehr wenig verstehen. Ich habe selbst Bücher geschrieben, die beispielsweise in Japanische übersetzt wurden - da ich aber des Japanischen leider nicht mächtig bin, bleibt mir als Autor nur die Hoffnung, daß der japanische Kollege sich auf sein Handwerk versteht. Es würde überhaupt nichts bringen, wenn er mir erst aufwendig irgendwelche terminologischen Entscheidungen erklärte, die ich dann ja doch nur abnicken könnte.

 

 

FantasyGuide: In Deutschland erhalten Übersetzer sehr wenig Aufmerksamkeit, obwohl sie sehr zum Erfolg eines Buches beitragen. Was meinen Sie, woran es liegt?

 

Ralph Tegtmeier: Möglicherweise hat das seine Wurzeln im deutschen Genie-Kult des neunzehnten Jahrhunderts: Das "Original" ist alles, die Übersetzung nur sekundär, gilt stets als nachrangig.

Natürlich ist das eine im Kern törichte Verkennung der Verhältnisse, und es gibt viele andere Kulturen, die das nicht so sehen, aber damit hat man als deutschsprachiger Übersetzer nun einmal zu leben.

 

 

FantasyGuide: Sollte man als Übersetzer auch über literarisches Geschick verfügen?

 

Ralph Tegtmeier: Unbedingt - und sei es nur, um Nuancen des Ausdrucks sowohl in der Quell- als auch in der Zielsprache überhaupt zu erfassen und adäquat wiederzugeben.

 

Andererseits ist der Übersetzer auch immer, bei aller Eigenleistung, ein Diener - entwickelt er eigene literarische Ambitionen, die dem Originalautor nicht gerecht werden oder diesen gar stilistisch, semantisch oder sonstwie vergewaltigen, überschreitet er damit klar seine Kompetenz. Er muß den Originalautor nicht unbedingt verbessern, aber er darf ihn auch auf keinen Fall verschlechtern - das ist natürlich oft genug eine sehr heikle Gratwanderung.

 

 

FantasyGuide: Sie sind auch Autor. Hat die intensive Beschäftigung mit Xanth und den anderen magischen Ideen Anthonys, Einfluss auf Ihr eigenes Schaffen gehabt?

 

Ralph Tegtmeier: Nein, das kann ich nicht feststellen. Die "magischen Ideen" Anthonys sind ja, bei aller Originalität der Darstellung, nur "magisch" im Kontext der Fantasy-Literatur. Mit Okkultismus oder angewandter Magie hat das nichts zu tun - und das beansprucht er ja auch gar nicht.

Es hat eine Menge Spaß gemacht, Anthony zu übersetzen, vor allem am Anfang, und das ist mehr, als man von vielen anderen Autoren behaupten kann.

Aber vergessen Sie dabei bitte nicht, daß es etwas grundlegend anderes ist, sich in einen solchen Roman zu versenken, über die Witze zu lachen, mit den Figuren zu bangen und zu hoffen, als vor einem Berg unübersetzter Seiten zu sitzen und sich zu überlegen, wie man diese möglichst gut zum festgesetzten Termin abliefern kann. Das eine ist Vergnügen - das Privileg des Lesers. Das andere ist Arbeit - die hat der Profi zu bewältigen, ob es ihm Vergnügen bereitet oder nicht: Danach fragt hinterher niemand, was zählt, ist allein die handwerklich saubere Leistung.

Das soll keine Klage sein, schließlich wird niemand in diesen Beruf gepreßt. Aber es macht vielleicht deutlich, daß die Sichtweise des einen nicht unbedingt mit der des anderen übereinstimmen muß, um

zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.

 

 

FantasyGuide: Piers Anthony wird in Deutschland momentan weder mit seinen neuen Werken herausgebracht, noch gibt es Nachauflagen. Dabei erzielen gerade die Bände des Unsterblichkeits-Zyklus bei ebay enorme Verkaufspreise. Verfügen Sie über Hintergrundinformationen, warum Bastei/Lübbe Piers Anthony aus seinem Programm nahm?

 

Ralph Tegtmeier: Nein, das müßten Sie schon den Verlag selbst fragen. Ich kann mir nur denken, daß die Bände wahrscheinlich nicht mehr die gewünschten Verkaufszahlen brachten. Bastei-Lübbe ist schließlich, wie die allermeisten Verlage, ein auf Gewinn abstellendes Unternehmen, und wenn der Gewinn nicht mehr stimmt, dann wird es nun einmal Zeit, sich von einem Autor oder einer Reihe zu verabschieden.

Hohe Verkaufszahlen bei eBay spiegeln auch nicht unbedingt die realen Marktgegebenheiten wieder: Da bieten vor allem die Liebhaber, vielleicht auch Spekulanten - ein Massenmarkt ist damit noch nicht zwingend gegeben. Aber wie gesagt - die Kompetenz, dies detailliert beurteilen zu können,

liegt allein beim Verlag.

 

 

FantasyGuide: Wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihren Projekten.

 

Ralph Tegtmeier: Danke für Ihr Interesse - und alles Gute für Sie und Ihre Leser!

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Erstellt: 29.04.2005, zuletzt aktualisiert: 23.10.2018 22:04, 162