Interview: Frank Duwald
 
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Interview mit Frank Duwald

geführt von Ralf Steinberg

 

Er betreibt die Phantastik-Seite dandelion und ist seit Jahren ein großer Kenner nicht nur phantastischer Literatur. Nun hat Frank Duwald mit Die Grünen Frauen seinen ersten Erzählband mit eigenen Texten veröffentlicht. Für uns ein passender Anlass, ihm einige Fragen zu stellen:

 

Fantasyguide: Hallo Frank, Du hast dieses Jahr den Schritt gewagt, einige Deiner Erzählungen im Sammelband »Die Grünen Frauen« zu veröffentlichen. Einige der Texte haben schon etliche Jahre auf dem Buckel – wie gefielen Dir Deine alten Werke? Gab es viel zu überarbeiten?

 

Frank Duwald: Hallo Ralf, es ist tatsächlich so, dass nicht nur einige der Texte etliche Jahre auf dem Buckel haben sondern alle.

Bis auf Die Statuette habe ich alle Geschichten in den 1990ern geschrieben, mit dem damaligen Ziel Schriftsteller zu werden und mit kürzeren Texten zu beginnen. »Die grünen Frauen« (das Buch) enthielt ursprünglich ein Nachwort, in dem ich ausführlich auf die Entstehung der einzelnen Geschichten eingehe, ich habe es aber vor Einreichung an den Verlag herausgenommen, weil ich dann doch dachte, dass es besser sei, die Geschichten nicht innerhalb des Buches bereits durch verschiedene Hintergründe zu manipulieren.

In dem Nachwort beschreibe ich, wie sehr ich diese Geschichten heute immer noch mag. Als ich sie teilweise in einem kleinen Köfferchen wiederfand, gefielen sie mir überraschend gut – nicht im Sinne, dass ich da etwa verschüttete Meisterwerke aus alten Zeiten in den Händen hielt sondern eher in dem Sinne, dass ich hier einigermaßen solide Arbeiten eines sehr viel jüngeren Menschen las, die aber für mich immer noch lebten. Das war für mich auch das Argument, sie mit 20-jähriger Unterbrechung doch noch zu veröffentlichen. Hätten mich damals persönliche Gründe nicht vom Schreiben abgebracht, hätte ich in dieser Zeit schon versucht dieses Buch herauszubringen, und es hätte sich nicht sehr von dem letztlich 2019 erschienen unterschieden.

 

Es ist tatsächlich so, dass ich für die Veröffentlichung ganz bewusst kaum schwerwiegend in die Texte eingegriffen habe. Die Überarbeitungen waren ausschließlich stilistischer Natur und hätten in diesem Maße wohl auch so ähnlich stattgefunden, hätte ich das Buch vor zwanzig Jahren für eine Veröffentlichung vorbereiten müssen. So hatte beim Ersterscheinen von Die Wörter an der Wand in Magira der Phantastik-Kenner Marco Frenschkowski vulgäre Ausdrucksweisen in der Geschichte kritisiert und an mich adressiert, dass nichts so schnell altere wie vulgäre Worte. Zwanzig Jahre später musste ich mir eingestehen, dass er absolut Recht hatte, sofern es sich um damals als von mir als cool empfundene Formulierungen handelte. Das ist ungefähr so als würde man heute noch »knorke« sagen. Solche Kleinigkeiten mit großer Wirkung habe ich dann sanft überarbeitet. Ich habe aber auch bewusst solche Sachen wie die DM oder Telefone mit Wählscheibe drin gelassen. Es hätte sich für mich einfach falsch angefühlt, wenn ich das alles modernisiert hätte.

Die Geschichten stammen aus den 90ern, geschrieben von einem Autor in seinen Dreißigern, und das wollte ich unbedingt erhalten.

 

Fantasyguide: »Die lange Nacht« und die Titelgeschichte sind als zwar Erstveröffentlichungen, aber auch schon älter? Warum lagen sie so lange in der Schublade und was schlummert da noch so alles?

 

Frank Duwald: Ja, »Die lange Nacht« und »Die grünen Frauen« habe ich auch in den Neunzigern geschrieben. Sie lagen so lange in der Schublade bzw. im Köfferchen, weil ich damals eigentlich erst ein bisschen ansammeln wollte, um dann eine Zeitlang genug Material für einen Einstieg ins Autorenleben ohne lange Pausen in petto zu haben. Es kam dann aber anders. »Die lange Nacht« geriet für mich tatsächlich in Vergessenheit. »Die grünen Frauen« hatte ich dagegen damals Heyne angeboten. Sie haben dort dafür sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, aber dem Gutachter gefiel die Novelle nicht. Ein Freund hatte mir damals das Gutachten zugespielt, was normalerweise bei den Verlagen strengstens untersagt ist, um Diskussionspalaver zu vermeiden. Das Gutachten zu lesen hat mich als weitgehend unveröffentlichten Autor nicht sehr amüsiert … Danach habe ich das Manuskript für bessere Zeiten weggesperrt, immer mit dem Gedanken, dass irgendwann seine Zeit kommen werde. Diese Novelle bedeutet mir von allen meinen Geschichten am meisten.

In der metaphorischen Schublade, sprich auf der Festplatte meines Lappys schlummern tatsächlich noch weitere Titel. Zwei weitere Kurzgeschichten aus den Neunzigern habe ich im Zuge der Vorbereitungen auf das Buch ebenfalls durchgesehen und revidiert, aber auch sie habe ich nicht mit in »Die grünen Frauen« aufgenommen. Nicht etwa weil ich sie zu schlecht fand, sondern einfach weil sie in meinen Augen nicht richtig hineinpassten. Beides sind realistische Geschichten, die recht undramatisch, dafür aber eher melancholisch sind. Eine davon ist eine Weihnachtsgeschichte. Daneben habe ich noch eine angefangene Novelle, auch aus der Zeit, die bereits fertig durchgeplottet und zu drei Vierteln geschrieben ist. Ein weiterer Neunziger-Text ist eine Kindergeschichte mit dem Titel Die Reise ins Land Lalomi, die ich einer ganzen Reihe von Kinderbuchverlagen schickte, die sie sogar teilweise lasen und detailliert kommentierten. Letztendlich war aber der Tenor, dass sie, obwohl sie eine Fantasy-Geschichte ist, für eine Kindergeschichte zu realistisch sei.

Über all diese Sachen habe ich in dem gecancelten Nachwort geschrieben. Vielleicht sollte ich es als persönlichen Abschluss doch irgendwo veröffentlichen und dann etwas Brandneues machen.

 

Fantasyguide: Bekommt man beim Sichten der eigenen literarischen Werke Lust auf Neues oder erstarrt Du gar vor Ehrfurcht, weil das jüngere Ich ganz anders tickte?

 

Frank Duwald: Haha, vor Ehrfurcht erstarrt bin ich definitiv nicht, aber ich hatte beim Revidieren durchaus so Momente, dass ich dachte, das ist wirklich von mir? Ich glaube solche Texte, auf jeden Fall, wenn sie emotional motiviert geschrieben wurden, sagen mehr über die eigene Vergangenheit aus als Fotos. Für mich war die Beschäftigung mit diesen Geschichten auf jeden Fall auch eine krasse Expedition in meine Vergangenheit. Lust auf was Neues habe ich aber auf jeden Fall auch bekommen. Wenn ich mehr Zeit hätte, hätte ich definitiv schon mit etwas Neuem angefangen. So existieren im Moment nur Ideen, die aber immer fordernder drängeln rausgelassen zu werden.

 

Fantasyguide: Als Rezensent entwickelt man bestimmte Sichtweisen auf Literatur. Stehen sie der Betrachtung eigener Werke im Wege?

 

Frank Duwald: Absolut, absolut. Mein größter Feind beim Schreiben fiktiver Texte ist mein eigener hoher Anspruch. Es bedarf schon einiger psychologischer Tricks, um das annähernd ausgeblendet zu kriegen. Zeitweise hilft es mir, mir vorzustellen, dass ich das Ganze gerade einer Freundin erzähle. Aber der widerliche Rezensent in mir kommt immer wieder durch und flüstert: »Das, was du da gerade von dir gibst, ist echt nichts Besonderes.«

 

Fantasyguide: In Deinen Geschichten trifft man auf Männer, deren Leben nicht ganz optimal verliefen. Was reizt Dich an daran?

 

Frank Duwald: Wenn man ein Träumer ist wie ich, ist man nie so ganz mit seinem Leben zufrieden. Es gibt immer noch etwas, was man noch erreichen will. Aber das ist es auch, was einen wie mich antreibt. Die Protagonisten meiner Geschichten erzeugen daraus, dass sie im Leben gestrauchelt sind, die Energie, nach Dingen zu streben, die alles andere als alltäglich sind. Gewöhnliche Lebenswege wie ich selbst einen gehe – ich meine Sachen wie Familie, fester Job, null Risiko – sind nicht ihr Ding. Sie streben nach dem Besonderen, Magischen, Übernatürlichen, Leidenschaftlichen, und für sie gibt es nur Alles oder lieber gar nichts, nichts dazwischen. Sinnbildlich gesehen, die Schlüssel und das Portemonnaie aus dem Zugfenster zu werfen, was für mich durchaus einen Reiz hätte, solange ich nicht über die Folgen nachdenken müsste. Solche drastischen Wege hätte ich selbst vielleicht auch irgendwann eingeschlagen, wenn ich nicht zu feige und bequem dazu wäre. Aber, das hat mich vor zwanzig Jahren fasziniert und fasziniert mich auch heute noch.

 

Fantasyguide: Kommt es vor, dass man die Protagonisten Deiner Geschichten mit Dir verwechselt? Wie gehst Du damit um?

 

Frank Duwald: Das ist mir bisher nur zur Erstveröffentlichung von Die Wörter an der Wand durch Malte S. Sembten passiert, der davon überzeugt war, dass der nackt am See liegende, kiffende Protagonist eins zu eins ich bin und es entsprechend in einer Illustration würdigte. Da der Großteil der Geschichten in der ersten Person geschrieben ist, sind autobiographische Verdachtsmomente natürlich noch naheliegender.

 

Fantasyguide: In der Titelgeschichte »Die grünen Frauen«, verbindest Du Natur-magische Welten mit einer Art Wüstung im Innern des Protagonisten. Hattest Du eine konkrete Inspiration für die Grünen Frauen? Sie tauchen an anderer Stelle des Buches ja auch einmal als Name einer Kneipe auf.

 

Frank Duwald: Als ich von der Legende der grünen Frauen in einem Buch las, wusste ich sofort, dass die Bezeichnung für mich die perfekte Metapher für eine Art von Frauen ist, die auch mein Leben gestreift und für immer verändert haben. Auch das ist ein zentrales Thema für mich, das, sollte ich noch mal etwas Neues schreiben, mit ziemlicher Sicherheit in irgendeiner Form auch dort integrieren werde. »Die grünen Frauen« in einer anderen Geschichte als Namen einer Kneipe zu nehmen, ist nur ein Joke. Ich fand es sehr reizvoll, dass die Bezeichnung in der einen Geschichte die Existenz des Protagonisten bestimmt und in einer anderen für eine Saufstube steht.

 

Fantasyguide: Ist Melancholie für Dich ein Störenfried oder mehr eine Freundin?

 

Frank Duwald: Melancholie ist eine meiner guten Freundinnen. Ich bin ein melancholischer Mensch, und Melancholie und Träumen mit offenen Augen sind zwei gute Verbündete, um besser in der Realität bestehen zu können, die für uns Menschen nicht immer ein Honigschlecken ist. Solange Melancholie nicht in Richtung depressiver Stimmung rückt, was viele als das gleiche ansehen, empfange ich sie mit offenen Armen, weil daraus immer etwas spannendes Neues entsteht, und sei es nur die Rezension eines Romans, der mich berührt hat.

 

Fantasyguide: »Die Statuette« erinnerte mich an »Der Flaschenteufel« von Robert Louis Stevenson, weil es hier um eine Art Teufelspakt auf der einen Seite und Obsession auf der anderen ging. Zumindest der Erzählstil scheint mir hier sehr dicht an den klassischen Gothik-Geschichten des 19. Jahrhunderts angelehnt. Wo siehst Du Deine dunklen literarischen Wurzeln?

 

Frank Duwald: Tatsächlich habe ich »Der Flaschenteufel« nie gelesen, und gerade an »Die Statuette« bin ich genau andersherum gegangen als du es in deiner Frage formulierst. Mein Hauptziel war, die Lovecraft-Traumreich-Thematik in ein modernes Setting zu verlagern. Die Geschichte sollte unbedingt kein bisschen nach Lovecraft klingen und auch alle seine Klischees draußen lassen. Geschrieben habe ich sie einfach ohne groß nachzudenken in meinem Erzählton, der sich nach meinem Empfinden nicht sehr von den anderen Ich-Erzähler-Geschichten in Die grünen Frauen unterscheidet. Ich glaube, die Autoren, die meinen Erzählstil am meisten geprägt haben sind M. John Harrison, Madison Smartt Bell und Paul Auster. Würdest du mir die Frage nach meinen dunklen literarischen Wurzeln zu etwas Neuem, noch von mir zu schreibenden, stellen, würde ich dir all die Autoren des 19. Jahrhunderts nennen, die ich in dandelion besprochen habe. Zu dem Zeitpunkt als ich die Geschichten aus »Die grünen Frauen« schrieb, hatte ich aber tatsächlich so gut wie noch keine klassische Literatur gelesen.

 

Fantasyguide: Wie bist Du dazu gekommen, Dich den Klassikern hinzuwenden?

 

Frank Duwald: Ich hatte eine mehrere Jahre dauernde Lesedepression. Mich konnte einfach kein Buch mehr begeistern. Nichts entsprach dem Lesestoff, den ich zu der Zeit brauchte. Dann kramte ich aus dem Keller ein runzliges Taschenbuch hervor. Es war Selinas Geister von Sarah Waters, ein historischer Roman mit einer lesbischen Protagonistin, die sich in eine Gefängnisinsassin verliebt. Das Buch crashte mich total. Ich war gefesselt und gebeutelt von der dramatischen Handlung wie als Jugendlicher, als mich Stephen King noch nächtelang ans Bett fesselte. Die viktorianische Welt, geprägt durch die Verklemmtheit der Menschen aber auch ihrer unterdrückten Triebe und Leidenschaften, faszinierte mich so sehr, dass ich etwas Originales aus der Zeit lesen wollte. Das wurde dann Jane Eyre von Charlotte Brontë. Damit war ich dann voll drin, im Klassik-Rausch der leidenschaftlichen Existenzbedrohungen.

 

Fantasyguide: Etwas aus dem Duktus der Geschichten heraus fiel für mich »Gespräche mit der Maschine«. Zwar ist der Protagonist wieder an einer Stelle in seinem Leben angelangt, wo er für sich selbst einen Sinn finden muss, aber Du bedienst Dich einem sehr typischen Science-Fiction-Motiv. Ich hatte bisher den Eindruck, dass Dir dieser Teil der Phantastik nicht ganz so sehr am Herzen liegt. Wie ist Deine Verbindung zur SF?

 

Frank Duwald: Du hast recht, SF war nie so recht mein Ding. Ich habe zwar früher TV-Serien wie Star Trek, Kampfstern Galactica und Mondbasis Alpha 1 geliebt, aber mich haben schon immer schöne und düstere Gebäude, Unheimliches und Magisches etc. fasziniert, ganz einfach weil es mehr meinem Geist entspricht und besser dafür geeignet ist, emotionale Abweichungen vom Standard anzudeuten. Frei nach Stephen King interessiert mich mehr, was die Menschen und nicht die Raketen antreibt. Ich bin überhaupt kein Wissenschafts- und Techniktyp, weshalb mich SF nur reizen kann, wenn die Technik nicht erklärt wird. Spektakulär finde ich in diesem Sinne die Novelle Der Algorithmus des Meeres von Frank Hebben, der zwar eine technische Prämisse zu Grunde liegt, die sich aber liest wie ein traumartige, phantastische Geschichte.

Das Thema von »Gespräche mit der Maschine« scheint ja unter SF-Kennern recht gebräuchlich zu sein. Darüber habe ich ehrlich gesagt nicht eine Sekunde nachgedacht. Ich hatte die Idee zu dieser Maschine und wollte sie in ein nicht-SF-typisches Gegenwarts-Setting versetzen. Wie du in deiner Rezension zu »Die grünen Frauen« richtig vermutest, war mir die Psychologie des Protagonisten sehr viel wichtiger als der SF-Hintergrund.

 

Fantasyguide: Ich empfand die Illustrationen von Alexandra F. (Projekt wort:rausch) als starken Kontrast zu den für mich eher dunklen Geschichten. Wie ging es Dir?

 

Frank Duwald: Ich wundere mich ehrlich gesagt ein bisschen, dass du die Geschichten dunkel findest. Ich nämlich gar nicht unbedingt. Julia A. Jorges, die »Die grünen Frauen« ebenfalls besprochen hat, machte mich darauf aufmerksam, dass das, was für den Leser vielleicht verzweifelt oder verloren wirkt, nicht zwangsläufig für den Betreffenden selbst so sein müsse. Das trifft es wirklich exakt. In diesem Kontext empfinde ich gar keinen so großen Kontrast zu den Illustrationen von Alexandra. Vielleicht hat Alexandra, die ja durchaus auch düstere Bilder malt, meine Geschichten ja ebenfalls gar nicht als so dunkel empfunden. Ich denke aber auch, dass rein technisch gesehen ihre Aquarelle allein schon durch die Farbigkeit etwas Freundliches besitzen.

 

Fantasyguide: Der Einband meiner Taschenbuchausgabe gefiel mir nicht, da er den Anschein schlechten Druckes erweckt. Ist das Absicht oder doch tatsächlich ein Manko der Druckerei?

 

Frank Duwald: Die Frage kann nur der Verleger beantworten. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, bin aber bisher davon ausgegangen, dass es Absicht war, weil z. B. die Schrift auf dem Buchrücken absolut clean ist.

 

Fantasyguide: Wie kamst Du auf den Apex-Verlag?

 

Frank Duwald: »Die grünen Frauen« lagen ja vorher schon bei einem anderen Verleger, der sie bereits zu zwei Dritteln lektoriert hatte, als er aus persönlichen Gründen das Projekt abbrechen musste. Da ich von Anfang an das Buch eher im Small-Press-Bereich gesehen hatte, wäre es vermutlich gar nicht so schwer gewesen, jemand Neues dafür zu finden. Ich hatte das Buch aber als Gesamtpaket mit den Illustrationen auf der Hand, und bei Farbillustrationen waren dann die meisten sofort raus. Alexandra hatte die Aquarelle extra für mich gemalt und sie mir praktisch zur freien Verfügung geschenkt, so dass für mich immer feststand, dass es das Buch nur im Doppelpack mit Farbillustrationen oder gar nicht geben würde. Neben dieser moralischen Verpflichtung gehören diese Bilder inzwischen für mich auch einfach zu den Geschichten.

Den Apex Verlag hatte ich schon sehr früh im Visier, zumal Christian Dörge mir seit Jahrzehnten kein Unbekannter war, aber er machte nur E-Books. Bis ich dann irgendwann in einer seiner Anzeigen sah, dass er einen Titel auch als richtiges Buch machte. Es kostete mich eine Facebook-Messenger-Nachricht, und das komplette Buch mit Alexandras Farbillustrationen war nur ein paar Minuten später unter Dach und Fach. Und ich habe es nicht bereut. Ich habe selten eine so entspannte und professionelle Zusammenarbeit gehabt wie mit Christian.

 

Fantasyguide: dandelion ist eine gute Adresse für phantastische Lesetipps. Wie steht es um die Zukunft der Seite?

 

Frank Duwald: Ah, deine Frage zielt wahrscheinlich eher darauf ab, ob dandelion überhaupt noch lebt? Die Antwort ist ganz klar: Ja. Tatsächlich verwende ich im Moment meine freie Schreibzeit ausschließlich darauf, dandelion etwas umzukonzeptionieren und umzubauen. Der Schwerpunkt von dandelion werden immer die eher detaillierten Textbetrachtungen bleiben wie bisher. Um die zu schreiben, muss ich aber schon wirklich sehr gut drauf sein. In den letzten zwei Jahren hatte ich dafür eher nicht den nötigen Konzentrationszustand in Verbindung mit der Ermangelung an Werken, die mich so richtig zum begeisterten Interpretieren hätten bewegen können. Was mir aber in der letzten Zeit wirklich fehlt, ist das Plaudern über Bücher (im Gegensatz zu reinen Texten ohne viel Aufhebens um die jeweilige Buchausgabe) mit allem was dazu gehört, wie Hintergründen, meiner subjektiven Meinung etc. Dem will ich zukünftig ebenfalls Tribut zollen, in Form von kürzeren, lockereren und weniger analytischen Rezensionen. Ergänzend dazu plane ich, meine in den gedruckten dandelion-Ausgaben erschienenen Besprechungen online zu stellen.

 

Fantasyguide: Mir war gar nicht bewusst, dass es gedruckte dandelion-Ausgaben gibt – wie kann man an sie herankommen?

 

Frank Duwald: Da kann man kaum noch drankommen. Ich habe selbst nur noch von zwei Nummern mehrere Exemplare, von allen anderen nur noch je eins. Die Auflage ging so von 50 – 100, so dass es nicht mehr viele Exemplare da draußen geben dürfte.

 

Fantasyguide: Du hast mich damals auf Richard Lorenz aufmerksam gemacht, wofür ich Dir sehr dankbar bin. Ist es besser ein Underdog in Deutschland zu sein, oder sollte man sich grämen, vom Feuilleton kaum beachtet zu werden? Korrumpiert der Erfolg vielleicht die Kreativität?

 

Frank Duwald: Letzteres glaube ich fest. Ich denke, man muss aber einfach wissen was man will, um irgendwann die passende Position zu finden. Ich kann wahrscheinlich froh sein, dass »Die grünen Frauen« erst jetzt erschienen sind. In der Zeit als ich die Geschichten schrieb, hätte ich wahrscheinlich noch vom großen Erfolg geträumt und von der Chance meinen Job an den Nagel zu hängen. Heute bin ich abgeklärt genug zu wissen, dass ein solches Buch in Deutschland kein Erfolg werden kann, wenn nicht gerade ausgiebige Vitamin-B-Infusionen im Spiel sind. Insofern brauche ich mir persönlich keine Gedanken in die Richtung machen. Meine geschätzten Kollegen und Freunde Richard Lorenz und Erik R. Andara haben es da jedoch viel schwerer als ich. Sie träumen real davon irgendwann vom Schreiben leben zu können und leben diesen Traum. Ein schöner Traum, aber man muss schon extrem selbstdiszipliniert sein, um nicht doch irgendwann aufzugeben und vielleicht in die Versuchung zu kommen Kommerzielles zu schreiben. In Deutschland als Underdog zu leben bringt leider kein Essen auf den Tisch.

Dass aber auch beides geht, Kreativität und Erfolg, beweist zum Beispiel Kai Meyer. Er war schon als Jugendlicher außergewöhnlich zielstrebig und wusste immer ganz genau, was er machen wollte. Er hat in seiner Karriere ein bemerkenswertes Gespür für die Bedürfnisse des Buchmarktes entwickelt und irgendwo immer sein Ding durchgezogen, wie man ja auch an seiner SF-Serie sieht, mit der er sich einen Jugendtraum erfüllte. Ich denke, er hatte nie das Ziel, ein Feuilleton-Darling zu werden, und trotzdem schätze ich ihn so ein, dass er mit dem was er macht, eine große innere Zufriedenheit besitzt. Auch, wenn ich glaube, dass er insgeheim gern mal einen Splatter-Roman schreiben würde, haha.

Daher, es hängt meiner Meinung nach immer von einem selbst ab, welchen Weg man als Autor einschlägt, und wer den entsprechenden Charakter hat, wird sich sowohl als Autor korrumpieren lassen wie auch im normalen Leben.

 

Fantasyguide: Hat diese feine Art der nachdenklichen, actionarmen Phantastik eine Zukunft?

 

Frank Duwald: Ich fürchte, seitdem die Zeiten von Leuten wie Vernon Lee, Oliver Onions, Arthur Machen, Algernon Blackwood und all den anderen, aber auch modernerer Autoren wie Robert Aickman, Fritz Leiber (in seinen atmosphärischen Horror-Texten) und Shirley Jackson vorbei sind, gibt es noch nicht einmal eine breit wahrgenommene jüngere Vergangenheit einer solchen eher stimmungsvollen Phantastik. In englischsprachigen Raum sieht es da noch weit besser aus als im deutschsprachigen. Die subtilen phantastischen und literarisch anspruchsvollen Romane und Erzählungen solcher Autoren wie M. John Harrison und Elizabeth Hand haben es nie in deutsche Übersetzungen geschafft, obwohl sie zum Besten gehören, was diese Literatur-Richtung zu bieten hat.

 

Fantasyguide: Welche Bücher liest Du gerade? Was möchtest Du unbedingt noch lesen, kommst aber nicht dazu?

 

Frank Duwald: Meine letzten Bücher waren Der Golem von Gustav Meyrinck und Die drei Häscher von Arthur Machen. Aktuell lese ich »Silas Marner« von George Eliot – ein wunderschönes, realistisches aber beinahe märchenhaftes Buch – und Der Schatten über Innsmouth in der großen neuen Lovecraft-Ausgabe von Fischer Tor. Unbedingt in meinem Leben lesen würde ich gern noch Die Wellen von Virginia Woolf, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust und Middlemarch von George Eliot, zumal es jetzt ja in einer wunderschönen Neuausgabe erhältlich ist. Bei Letzterem bist du mir ja weit überlegen, Ralf.

 

Fantasyguide: Stimmt, ich habe »Middlemarch« gelesen bereits gelesen und ich bin gespannt, was Du über das Buch denkst. Kann man Dich vielleicht auch einmal live erleben? Sind Lesungen oder Con-Besuche geplant?

 

Frank Duwald: Geplant ist in der Richtung nichts. Ich bin auch nicht unbedingt der Bühnentyp. Wenn ich in einer Stadt wie Berlin wohnen würde, hätte ich aber schon Lust auf so etwas, aber da ich hier ziemlich weitab vom Schuss bin, ist das Lesen und das Schreiben für mich gleichbedeutend mit Stille und Einsamkeit.

 

Fantasyguide: Vielen Dank für das Interview!

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Buch:

Die grünen Frauen

Erzählungen

Autor: Frank Duwald

Taschenbuch: 174 Seiten

Apex-Verlag, 2. April 2019

Illustrationen: Alexandra F./Projekt wort:rausch

Vorwort: Richard Lorenz

Cover: Christian Dörge

 

ISBN-10: 3748526954

ISBN-13: 978-3748526957

eBook-ISBN: 978-3-7487-0098-2

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B07QCX1YXY

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

Inhalt:

  • Die Wörter an der Wand

  • Die lange Nacht

  • Gespräche mit der Maschine

  • Das Spiel kann beginnen

  • Die Statuette

  • Die grünen Frauen


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Erstellt: 14.09.2019, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 17885