Interview: Michael Marrak
 
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Interview mit Michael Marrak

geführt von Michael Schmidt

 

Anlässlich des Erscheinens des Zweiteilers Lex Talionis / De Profundis von Michael Marrak als limitierten Gesamtband unter dem Titel Kaskade, befragte unser Redakteur Michael Schmidt den Meister deutschsprachiger Phantastik:

 

Michael Schmidt: Hallo Michael, dein zweiteiliger Roman »Lex Talionis« / »De Profundis« ist erschienen und ich habe ihn gelesen und bin begeistert. Die limitierte Hardcoverversion beider Bücher namens »Kaskade« konnte man bei Memoranda bestellen und ist so gut wie ausverkauft, wie ich von gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte. Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Buch!

 

Michael Marrak: Vielen Dank! Ich wünschte, »Kaskade« wäre die reguläre Ausgabe, denn sie ist wirklich schön geworden. Aber die beiden Einzelbände unterscheiden sich von ihr im Grunde nur darin, dass es zwei Inhaltsverzeichnisse gibt und sie ein Softcover haben. Das restliche Layout ist völlig identisch (eigentlich durch die Klappbroschur noch viel schöner), und preislich sind die Taschenbücher zusammen gerade mal knapp zwei Euro teurer. Selbst die Kapitelaufteilung ist die eines in zwei Hälften gespaltenen Romans. »Lex Talionis« endet mit Kapitel 43, »De Profundis« beginnt mit Kapitel 44.

 

Michael Schmidt: Ich hatte Ralf Steinberg zu Besuch und wir haben natürlich »Lex Talionis« / »De Profundis« diskutiert. Ralf meinte, das Buch hat viel christliche Inspiration, gerade er, der als Atheist im Osten aufgewachsen ist, findet dann vieles ungewohnt, weil er nicht mit der christlichen Religion aufgewachsen ist. In deiner Lesung auf dem Bucon sagtest du aber auch, es ist zwar christliche Mythologie, das zeigen ja auch die Titel der beiden Einzelbände, aber diese bezieht sich wiederum auf noch ältere Sagen …

 

Michael Marrak: Um das vorwegzunehmen: Ich sehe mich nicht als Christ, habe nie die Bibel gelesen und zahle auch keine Kirchensteuer. Aber natürlich kenne ich viele Bibelgeschichten und verwende auch gerne Zitate daraus. Das impliziert jedoch nicht, dass ich im Umkehrschluss auch keinen Glauben habe. Nur, falls das falsch aufgefasst werden sollte – was in heutiger Zeit ja fast schon Mode geworden ist.

 

Würde man die christliche Mythologie aus dem Horror- und Phantastikgenre entfernen, gäbe es zahllose Werke in ihrer von vielen Lesern und Zuschauern geschätzten Form nicht. Neil Gaimans The Sandman beispielsweise, Stephen Kings Needful Things, Constantine, die Serie Lucifer, nahezu die gesamte Serie Supernatural, God’s Army, The Seventh Sign, End of Days, The Omen, etc. Alles aufzuzählen wäre ein Fass ohne Boden. Selbst Klassiker wie manch ein Märchen der Gebrüder Grimm, Goethes Faust oder Bram Stokers Dracula (und als Folge nahezu alle Vampirgeschichten und -filme) bräuchten eine neue Prämisse, da z. B. Stokers Titelfigur von Gott verflucht wurde und eine leichte Abneigung gegen Kruzifixe verspürt. Alles in Film, Comic und Literatur, was mit Inquisition, Kreuzzügen, dem Heiligen Gral, den Sieben Siegeln, Judas oder Engeln zu tun hat, gäbe es ohne christliche Mythologie oder die Bibel in dieser Form nicht. Dantes Göttliche Komödie, Ecos Der Name der Rose, Hinter dem Horizont, The Devil’s Advocat, Hellboy, Legende, usw.

Wenn jemand also, wie du schreibst, ›als Atheist im Osten aufgewachsen ist und daher vieles ungewohnt findet‹, muss ihn die Phantastik- und Horrorszene in all ihren literarischen und cineastischen Spielarten doch eigentlich generell ziemlich befremden, oder nicht?

 

Was die Bibel an sich betrifft: Die damaligen Autoren, Evangelisten, Propheten und Seher haben sich – mal davon ausgehend, die christlichen Kernbegebenheiten haben sich mehr oder weniger tatsächlich ereignet – für viele ihrer Geschichten aus älteren Zeugnissen bedient. Der Garten Eden beispielsweise entstammt den altorientalischen Mythen um den heiligen Garten der Inanna und das Land Edom, der Baum des Lebens ist auf den Huluppu-Baum zurückzuführen, in den sich einst ein Naturgeist namens Ardat Ili eingenistet hatte (welche im Talmud zu Adams erster Frau Lilith und später schließlich zur Dämonin herabgesetzt wurde) und so weiter. Die Bibel ist nur ein in diverse christliche Rahmen gepresstes und zurechtgebogenes Sammelsurium von sumerischen, akkadischen, babylonischen, phönizischen oder auch altägyptischen Epen, Mythen und Legenden. Es gab womöglich noch ältere, aber die sumerischen sind nach heutigem Kenntnisstand die ältesten und ersten, die niedergeschrieben wurden und bis heute erhaltenen sind. Aus den Göttern von damals hat man in der Bibel Dämonen gemacht und dafür eine neue Nomenklatura von Engeln etabliert. Dann noch ein paar Jahrhunderte in den Ofen damit, und fertig war der Kuchen, bereit für den Export. Aufgewachsen bin natürlich auch ich damit, im katholisch geprägten Süden der Republik.

 

Michael Schmidt: Ich empfand den Roman als eine Art Reminiszenz an die 70er und 80er Horrorromane. Dort wird ja ebenfalls immer mit der Tastatur der christlichen Lehre gespielt. Wie würdest du den Weltenbau von »Lex Talionis« / »De Profundis« bezeichnen, und wie kam es zu einer dritten Sorte Engel?

 

Michael Marrak: Mit den christlichen Motiven und der christlichen Lehre spielen auch die Horrorromane des 21. Jahrhunderts. Es geht ja fast nicht anders. Es geht um die Nachvollziehbarkeit des Erdachten, das Fundament des übernatürlichen Horrors. Kaum ein Autor der Neuzeit geht das Risiko ein, einen völlig neuen Mythos zu schaffen, in der Hoffnung, dass er sich zu seinen Lebzeiten noch etabliert und die Leser firm darin werden. Dass viele Autoren und Leser sich heute in Lovecrafts Cthulhu-Mythos wohl fühlen, vollzog sich auch nicht innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren. Die Gefahr, an einer neuen Mythologie zu scheitern, ist groß. Daher verlässt man sich auf bewährte Spielarten und Motive, die viele Menschen von Kind auf kennen und verinnerlicht haben.

Was den Weltenbau von »Lex Talionis« und »De Profundis« betrifft: Es ist ja vor allem eine Sache, wann sich gewisse Begebenheiten im christlichen Mythos – gesetzt den Fall, es wäre etwas in dieser Art tatsächlich einmal geschehen – denn überhaupt zugetragen hatten. Für gewisse Christen ist die Erde und der Mensch um die 4000 Jahre alt, Punkt, aus. Spannt man den Rahmen ein wenig realistischer, spricht man eher von Äonen. Vor allem, was einen sogenannten »Krieg im Himmel« und die Aufspaltung der einst geeinten überirdischen Macht in zwei Lager betrifft: Engel und Dämonen. Das ist die klassische Lehre. Oben die Guten, unten die Bösen, Engel im Himmel, Dämonen in der Hölle, fertig.

Es gibt aber noch ein etwas unkonventionelleres Model – oder einen Mythos – um die sogenannte Rebellion Luzifers bzw. Samaels gegen Gott und den Aufstand im Himmel. Demnach existierte noch eine dritte Partei: Jene Engel, die sich zwar nicht am Krieg beteiligt, aber Gott am Ende auch nicht die Treue geschworen hatten. Diese dritte Partei soll ebenfalls aus dem Himmel verstoßen worden sein, doch es gibt unterschiedliche Geschichten darüber, wohin – und was aus ihnen wurde. Darauf basiert eine der Ideen für die »Kaskade«-Romane.

Interessanterweise gab es anfangs übrigens gar keine Engel als Mittler zwischen Gott und den Menschen. Es waren alles Dämonen, nur eben gute und böse.

 

Michael Schmidt: Alexander, genannt Lex, ist ein etwas untypischer Geisterjäger. Oder Ermittler, je nachdem wie man ihn sieht. Wie kam es zur Echodimension und überhaupt zur Figur Lex?

 

Michael Marrak: Geisterjäger klingt ein wenig nach John Sinclair oder Professor Zamorra (ich liebte diese Heftserien als Teenager). Lex ist jedoch nicht nur ein untypischer, sondern vor allem ein gänzlich unfreiwilliger Geisterjäger, ähnlich wie Detective John Hobbes im Film Dämon – Trau keiner Seele (orig. Fallen). Dazu ohne irgendwelchen Geisterjäger-Schnickschnack wie Kruzifixe, magische Amulette, gnostische Gemmen, und so weiter. Sein Antipode hingegen ist der körperlosen Wesenheit Azazel aus Dämon oder jener aus dem Film Diary of a Madman (mit Vincent Price) sehr ähnlich.

 

Die Echodimension ist mein metaphysischer Unterbau für Lex’ Gabe, durch das Berühren von Gegenständen, einer Mordwaffe oder des Mordopfers selbst in die Vergangenheit zu blicken und – im Idealfall – den Mord als Zuschauer quasi rückwärts zu erleben zu so bei der Aufklärung des Falls zu helfen. Er selbst bezeichnet diese Trips als Echos.

Ich lasse hier gerne Lex selbst zu Wort kommen, denn treffender als er kann ich es auch nicht beschreiben:

 

»Jenen metaphysischen Ort, an dem ich die Echos erlebte, bezeichnete ich als Visionarium, und das ihn umgebende Kontinuum als Echo-Dimension. Beides war ebenso schwer zu definieren wie der Kausalnexus. Im Grunde war das Visionarium mein eigenes, ganz persönliches Taschenuniversum, zu dem einzig ich Zugang hatte. Eine Mischung aus metaphysischer Zeitkapsel und Delikt-Retrospektive, angereichert mit einer Prise Spiegelkabinett, Freakshow, Altweibermühle und freudschem Psychocouch-Kaleidoskop. (…) Mit etwas Glück vermochte ich hinauszublicken, in der Hoffnung, jenseits der Grenzen Zusammenhänge zu erkennen und die kausalen Lücken zu schließen. Im Visionarium war ich jedoch mehr unbeteiligter Statist als Akteur. Ein Ein-Mann-Publikum, das sich von der Darbietung überraschen lassen musste.«

 

Michael Schmidt: Simon ist eine faszinierende Figur wie ich finde. Du hattest auf der Lesung gemeint, man soll sich Monk aus der gleichnamigen Fernsehserie vorstellen. Aus wie vielen Vorbildern besteht Simon und wird er in weiteren Geschichten eine Rolle spielen?

 

Michael Marrak: Ich mag ihn auch sehr, denn er ist herrlich schrullig, aber es ist bisher kein weiterer Roman mit Lex & Co geplant. Dafür warten zu viele andere Romane auf der Festplatte darauf, fertig geschrieben zu werden.

 

Eigentlich gibt oder gab es beim Schreiben keine realen oder fiktiven Vorbilder für Simon. Den Vergleich mit Monk hatte ein Gast, der den ersten Romanteil kannte, während der Lese- und Gesprächsrunde auf der MetropolCon in Berlin erwähnt. Ich fand das treffend, daher hatte ich es auf dem BuCon für die Zuhörer als Vergleich erwähnt. Meine Inspiration für Charaktere wie Simon kommen aus Sachbüchern wie Oliver Sacks’ Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, eine Art Sammlung und Schilderung seiner skurrilsten Fälle, bewegend, humorvoll, traurig, grotesk und berührend zugleich. Von ihm stammt auch das Buch Bewusstseinsdämmerungen, das 1990 unter dem Titel Zeit des Erwachens verfilmt wurde.

 

Zu deiner Frage nach weiteren Geschichten: Derzeit entsteht eine Art Prequel zu »Lex Talionis«, aber ohne Alexander, Miriam, Vinzenz und Simon.

 

Michael Schmidt: Worum geht es denn in dem Prequel?

 

Michael Marrak: Zuviel möchte ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht verraten, denn der Roman erscheint erst im Herbst 2024. Wie in »Lex Talionis« und »De Profundis« geht es um eine seltsame Todesserie, oder besser gesagt: um eine Serie von Vermisstenfällen, nach der schließlich einer der Vermissten tot aufgefunden wird. Obwohl erst eine Woche zuvor verschollen, ähnelt er mehr einer lange im Eis verborgenen Gletschermumie. Der Tote landet letztlich auf dem Autopsietisch von Ferdinand Jelen, einer der beiden Figuren aus den »Kaskade«-Romanen, die in einem Nebenhandlungsstrang agieren. Die zweite ist Jonas Hardberg. In gewisser Weise erzählt das Prequel die Geschichte bzw. den letzten mysteriösen Fall ohne Lex, bevor dieser für Miriams Soko angeworben wird, um mit seiner Gabe bei derart seltsamen Mordfällen zu helfen. Thematisch hat der Roman mit einigen Örtlichkeiten und Begebenheiten zu tun, die ich in der Antwort auf deine zweite Frage kurz angerissen habe. Wie bei den »Kaskade«-Romanen bilden zudem auch bei diesem Prequel zwei ältere, zusammenhängende Kurzgeschichten das Fundament, nämlich Liliths Töchter (2009) und Lamia (2010).

So, mehr Teaser gibt’s frühestens im Sommer 2024.

 

Michael Schmidt: Ursprünglich war »Lex Talionis« als eine Art Cody McFadyen Thriller geplant, ich hoffe ich zitiere dich da richtig. Ich finde man merkt beiden Teilen an, dass sie einerseits starke Krimielemente enthalten. Andererseits ist viel Mystery a la Akte X, aber auch der mythologische Unterbau und eine starke phantastische Seite enthalten. Gerade das macht »Kaskade« ja auch spannend und abwechslungsreich. Wie kommt der Mix generell an? Hast du bewusst einen solchen erschaffen, oder hat die Geschichte da ein Eigenleben entwickelt?

 

Michael Marrak: Ich habe bisher leider noch zu wenig Feedback zu »De Profundis« und zum Gesamtroman, um die vorletzte Frage adäquat zu beantworten. Generell sind die Leser sehr angetan, wenngleich sie sich erstmal in die Story reinfinden mussten, denn sie beginnt tatsächlich (fast) wie ein Krimi und unterscheidet sich zudem sehr von den Büchern und Geschichten, die ich in den vergangenen 20 Jahren geschrieben habe. Aber just das war auch der Reiz an den »Kaskade«-Romanen: Ich wollte nicht nur das Alte und Bewährte weiterspinnen, sondern etwas Neues versuchen, in der Jetztzeit und Deutschland verortet und halbwegs geerdet.

 

Bemerkenswert finde ich, dass viele Leser die Geschichte dennoch als eine Art Spin-off des lovecraft’schen Universums empfanden, was von meiner Seite aus zumindest in »Lex Talionis« gar nicht beabsichtigt war. Beim Schreiben von »De Profundis« hatte ich die Schleusen diesbezüglich dann ein bisschen weiter geöffnet und ein paar Blicke mehr in die Dimension der gigantischen Wind-Entitäten bzw. Anemoi gewährt.

 

Wie in Frankfurt erzählt, begann der Romanzweiteiler vor rund zehn Jahren als ein Projekt, das auf Wunsch meines damaligen Verlagslektors bei Lübbe in Richtung der Thriller eines Cody McFadyen gehen sollte: düster, dreckig und blutig, mit einem polarisierenden Antihelden à la Dexter, aber gänzlich ohne Phantastik – wenn man mal von Lex’ Vision absieht, in der er erstmals Jonas Hardbergs leicht hafenwassergeschädigten Wiedergänger trifft. Dieser Part existierte mit Abstrichen schon 2014 in der Version für Lübbe.

Auch auf dem MetropolCon und bei der Buchpremiere im Berliner Otherland dieses Jahr war McFadyen ein Thema gewesen, wenn es um die Entstehungsgeschichte von »Kaskade« ging. Mein damaliger Lektor hatte mir dafür einst den ersten Smoky Barrett-Roman Die Blutlinie geschickt, damit ich mir einen Eindruck davon machen konnte, was er sich vorstellte. Die Meldung, dass Cody McFadyen – nur gut zwei Jahre jünger als ich – Mitte Mai diesen Jahres verstorben ist, hat mich ziemlich überrascht. Ich hatte vor einigen Jahren gelesen, dass er ernsthaft krank wäre, aber irgendwann kursierte die Meldung, dass er wieder vollständig genesen sei. Auch wenn ich nur einen Roman von ihm kenne und »Kaskade« in seiner heutigen Inkarnation wieder eine gehörige Portion Phantastik hinzugefügt habe, wäre die Basishandlung, also jene 40 Krimi- bzw. Thrillerkapitel, die ich vor zehn Jahren für Lübbe geschrieben hatte, ohne den Einfluss von McFadyens Barrett-Erstling nicht entstanden.

 

Für mich persönlich hat die Geschichte allerdings erst wieder an Reiz und Finesse gewonnen, als ich begonnen hatte, ihr einen übernatürlichen Unterbau zu geben und phantastische Elemente hinzuzufügen. Sowohl dem bereits seit 2014 existierenden Text, der die ersten drei Buchteile von »Lex Talionis« umfasst, als auch den gänzlich neu entstandenen Buchteilen 4 bis 8. Lediglich die in »De Profundis« enthaltenen Kapitel 78 bis 80, die letztlich (endlich) den »Lex Talionis«-Prolog fortsetzen, entstammen noch der 2014 entstandenen Version.

 

Michael Schmidt: Dein Werk ist mittlerweile sehr umfangreich und gerade die Romane sind sehr vielfältig. Liebst du generell die Abwechslung und wie würdest du »Kaskade« in dein Gesamtwerk einordnen?

 

Michael Marrak: Lieben ist das falsche Wort. Ich brauche die Abwechslung. »Kaskade« zu schreiben war allerdings sehr zehrend. Ich habe das Gefühl, seit ich im Frühjahr 2021 mit dem ersten Roman begonnen hatte, sind meine Haare bedeutend grauer geworden. Zu den intensivsten Schreibabschnitten gehörte vergangenes Jahr sicherlich die erste Hälfte von »De Profundis« mit dem Tagebuch aus dem Internierungslager, in dem die Hintergrundgeschichte der Romane Ende der 1940er-Jahre ihren Anfang genommen hatte.

 

Einordnen würde ich »Kaskade« sicherlich als einen meiner besten und wichtigsten, aber auch als einen meiner düstersten, dreckigsten und blutigsten Romane. Der absolute Kontrast zum Kanon-Universum. Als literarischen Ausflug auf die dunkle Seite der Macht, falls dieser nerdige Vergleich erlaubt ist. Horst Illmer beschreibt ihn in seiner Besprechung für das Magazin phantastisch! mit den Worten:

 

»siebenhundert Seiten absolut konzentrierter Schrecken, und meint: Was in »Lex Talionis« noch anfing wie ein Serienmörder-Thriller mit Spuk-Effekten, wird mit jeder weiteren Seite ein immer mehr ins Übernatürliche gehender, immer schrecklichere Szenarien hervorbringender Horror-Roman.«

 

In einer anderen Besprechung bezeichnet der Rezensent »De Profundis« als »auf eine bedrückende, ja traumatisierende Art (…) geschrieben.«

 

Ich möchte beiden nicht widersprechen. Dabei habe ich die Geschehnisse im Lager-Tagebuch sogar noch ein wenig entschärft. Die Realität in den sowjetischen Uran-Minen war weitaus grausamer.

 

Michael Schmidt: Die Leser sind natürlich neugierig, was sie von dir für 2024 erwarten können. Sind neben dem Prequel noch weitere Veröffentlichungen geplant?

 

Michael Marrak: Bisher nicht. Ich weiß auch noch nicht so recht, an welchem der noch unvollendeten Romane ich im neuen Jahr weitermachen werde. Das »Kaskade«-Prequel wird sehr wahrscheinlich bis Ende Dezember fertig werden, aber danach … hm … Entweder schreibe ich den zweiten und finalen Teil von Cutter ante portas, oder ich bringe endlich meine Hommage an Lovecrafts Der Flüsterer im Dunkeln zu Ende, die auch ein Schwergewicht werden wird, in etwa so umfangreich wie Imagon oder gar der »Kanon«. Letzteres reizt mich im Augenblick mehr.

 

Dieses Jahr kommt voraussichtlich noch etwas Kleines, in einer Mängelexemplare-Anthologie, die im Amrûn-Verlag erscheinen wird.

 

Michael Schmidt: Vielleicht noch ein paar Worte an deine Leser und die Phantastikgemeinde!

 

Michael Marrak: Seid ihr noch da?

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Buch:

Kaskade

Autor: Michael Marrak

auf 111 Exemplare limitierte, gebundene Ausgabe, 692 Seiten

Memoranda, 2023

Cover: Michael Marrak nach Motiven von Holger Much

Illustrationen: Michael Marrak

 

Erhältlich bei: Memoranda


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Erstellt: 04.11.2023, zuletzt aktualisiert: 05.11.2023 11:37, 22441